CCCC #6: Jefferson Multi-Cache

Neulich als ich wieder einmal bei meiner Mutter war stürmte plötzlich meine Tante Helene mit ihrem Beagle Jefferson bei der Tür herein. Keuchend und mit hochrotem Kopf erzählte sie, dass sie gerade - wie jede Woche - bei ihrer Wahrsagerin Marjorie war und diesmal etwas ausgesprochen Merkwürdiges passierte. Da ihr verstorbener Ehemann Thomas vor einer Woche seinen Geburtstag gefeiert hätte wollte Helene mit Marjories Hilfe Kontakt zu ihm aufnehmen. Doch gerade in dem Moment als Marjorie anfing die "Präsenz von Thomas zu spüren" hatte sie eine Vision! Sie sah wie Thomas mehrere Blätter mit Botschaften in eine kleine, unscheinbare Kiste steckte und diese an einem dunklen Ort versteckte. Marjorie erkannte den Ort nicht, aber sie konnte gerade noch beobachten wie Thomas sich Notizen machte, bevor ihre Vision endete. Schnell kritzelte sie alles - zusammen mit ihrer Rechnung - auf eine am Tisch liegende Serviette und gab sie Helene. Und genau diese Serviette hielt Helene in der Hand als sie hereinstürmte.
"Du musst mir unbedin't helfen die Kiste zu finden!" rief sie mit ihrem üblichen Sprachfehler und ausgesprochen lautstark zu meiner Mutter und schreckte dabei Jefferson - und mich - gehörig auf. Sie hetzte zum Wohnzimmertisch, räumte ihn mit einem Armschwung ab und legte vorsichtig die Serviette darauf. Beide begannen sie angespannt zu betrachten. Abgesehen von einem obligatorischen Kreuz standen dort allerdings nur einige mysteriöse Symbole und Zahlen. Meine Mutter und Helene waren zuerst etwas ratlos, fingen dann aber an diverse Bücher und Internetseiten nach Hinweisen betreffend der Bedeutung der Zahlen zu durchforsten. Während Jefferson und ich uns neben und auf dem Sofa entspannten, grübelten die beiden stundenlang ausgesprochen ergebnislos über der Serviette. Hin und wieder gab es einen kurzen Aufschrei "Ich hab's 'efunden!", aber schlussendlich stellte sich weder die Mondstellung von Uranus noch eine bestimmte Fruchtbarkeitszeremonie der Maya als sonderlich erfolgreich heraus.
Und dann passierte es: als Mutter und Helene sich wieder einmal der Lösung nahe wähnten, schubste Helene unbeabsichtigt die Serviette vom Tisch. Das war Jeffersons Chance! Genau wie Helene und sein verstorbenes Herrchen Thomas liebt er historische Dokumente. Während Helene sich allerdings auf Dokumente aus Großbritannien und Amerika konzentriert - ihr ganzer Stolz ist dabei ein alter Nachdruck der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und eine Abschrift der ersten Balfour-Deklaration - und Thomas als echter Patriot hauptsächlich Dokumente rund um die Republik Österreichs hegte und pflegte, ist Jefferson weniger wählerisch. Wann immer er eine Gelegenheit dazu hat, schnappt er sich eines der wertvollen Dokumenten und "spielt" mit ihm, was man vor allem an den abgerissenen Ecken vieler Papiere überdeutlich erkennen kann. Auch diesmal war es nicht anders. Die Serviette lag noch nicht einmal vollständig am Boden, da hatte er sie schon geschnappt und lief mit ihr davon. "Jefferson, nein, komm sofort zurück!" rief Helene entsetzt! "Dieser Bea'le macht mich noch wahnsinni'!" Auch Mutter schrie dem Beagle nach, aber er war schon hinter der nächsten Hecke verschwunden. Zu dritt - diesmal musste auch ich mithelfen - liefen wir hinaus und begannen mit der Suche nach ihm. Doch er war verschollen. Nach mehreren Stunden bei schon einsetzender Dunkelheit kehrten wir schlußendlich erschöpft und ohne Jefferson zurück nach Hause. Doch wer saß dort vor der Haustüre? Jefferson! Und zwischen seinen Pfoten lag eine kleine, unscheinbare Kiste...