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Viel Spaß beim Lesen
Warum im Advent der Mond
aus dem Wald verschwunden war!
Das die Tiere im
Wald wohnen, weiß nun wirklich jedes Kind. Aber wisst ihr auch,
dass es
manchmal bei ihnen
zugeht wie bei uns Menschen? Kommt, setzt euch zu mir, liebe Cacher
- Kinder.
Wir wollen die Kerzen
anzünden und ich will euch die Geschichte erzählen, warum
einmal
sogar der Mond im Advent
aus dem Wald verschwunden
war.
Vor langer Zeit dehnte
sich vor unserer Stadt ein großer Wald aus. Es war ein schöner
Wald. Wenn man hineinschritt, war es hell unter den 5 Eichen und
ein wenig dämmerig unter den Buchen. Tief innen im Wald wurde es
immer dunkler. Das mochten die Menschen nicht. Und so hatte noch
keiner die Stelle erreicht, an der der Wald plötzlich eine Lichtung
freigibt.
Was sage ich : Einen
wunderschönen Ort, groß und kreisrund. Teppiche von verschiedenstem
Moos wölben sich dort über schöne Steine, Zittergras macht sich
breit und ganz in der Mitte stehen die Blumen mit kleinen weißen
Sternchenblüten. Ganz still ist es
hier.
Eine Stille, die einen
umfängt wie warmer Sonnenschein, sodass man sich wie von selbst ins
Moos niedersetzt. Und ehe man sich versieht, liegt man auf dem
Rücken und die Augen verlieren sich im Blau des Himmels. So
wunderbar war dieser Ort, den noch kein Mensch betreten
hatte.
Die Tiere des Waldes
kannten diesen besonderen Ort natürlich alle. Trotzdem ging in
Wirklichkeit kaum ein Tier dahin. Die, die aber dahin gingen,
sprachen nicht davon oder nur einmal ein unbestimmtes scheues Wort
zu einem, den sie dort auch gesehnen hatten. Sie wussten nicht,
warum, aber ihr werdet es vielleicht am Ende der Geschichte
verstehen.
Einmal wurden in einem
schönen Frühling und warmen Sommer im Wald besonders viele Tiere
geboren, ihr hättet sie gar nicht zählen können. In der Dämmerung
standen die Alten mit ihren Jungen in großen Rudeln beieinander, um
zu äsen . Aber ein Reh fehlte fast
immer.
Dieses eine Reh war
anders als alle seiner Art. Es liebte es, ganz allein zu
wandern.
Dabei vergaß es die Zeit
und auch die Regeln, die den Alten ihren Kindern geben. Auf einer
dieser endlosen Wanderungen- inzwischen neigte sich das Jahr schon
dem Ende zu - fand es einen kleinen beinahe vergessenen
Pfad.
Magisch angezogen folgte
es dem schmalen Weg immer weiter ins Dunkele, immer tiefer in das
Herz des Waldes und an den Rand der geheimnisvollen Lichtung. An
diesem Tag hatte es das erste Mal geschneit. Es war ein
überraschend früher Schnee, als wollte er jetzt schon jeden lehren,
wie kalt es werden würde in diesem Winter. Das Reh ging langsam und
Still unter den Tannen, die schon weiß waren und noch unbeweglicher
standen als sonst. Es tat noch einen Schritt. Und dann..... es
konnte sich nicht rühren. Denn genau in diesem Augenblick, als 2
Rehe den Kopf hoben, trat der Mond hinter der letzten Wolke dieser
Nacht hervor. Ein Mond war es , voll und gelb und von der Ahnung
eines Schleiers überzogen. Und groß war dieser Mond; so groß, wie
es ihn braucht, um eine tiefe dunkle Nacht mit einem Schimmer zu
durchtränken und ein für allemal zu verwandeln. Die ganze Lichtung
war erfüllt vom Schein. Sie lag da unter dem ersten Schnee, weiß
und unberührt in einem silbrigen Glanz. Das Reh stand und sah , wie
Schimmer und Glanz verschmolzen zu einem weiten hohen Saal,
in dem die Wunder der Erde und die des Himmels sich vereint
hatten.
Da konnte man nur still
sein und so wenig atmen wie möglich, da konnte man nur schauen und
nicht aufhören, bis es drinnen im Herzen wehtat. Das war
Sehligkeit. So stand also das Reh und die Nacht verging. Wer
solches geschaut hat, kann davon nicht mehr lassen. Man muss es
suchen und suchen, immer in der Hoffnung, noch einmal dieser
Sehligkeit zu begegnen. Das Reh zog Nacht für Nacht seinen Weg zur
Lichtung. Ihm war gleichgültig, wie viele Nächte es waren, wenn nur
ein einziges Mal wieder der Mond so leuchtete und der Schnee so
glänzte. Und es lernte, dass der Zauber sich nur selten vollzog.
Und vor allem lernte es, dass es niemals, auch nicht ein einziges
Mal, derselbe Zauber war. Es gab keine Wiederholung. Jedes Mal war
anders, jedes Mal war neu. Besitzen kann man den Zauber nicht und
also auch nicht behalten. Nur manchmal sich beschenken lassen und
still stehen du in diesen Saal schauen, in dem Himmel und Erde sich
begegnen für eine kleine Weile, vielleicht für eine
Nacht.
Inzwischen fiel das Reh
auf. Weil es Nächte lang verschwand und weil es nach mancher dieser
Nächte wie verwandelt zurückkam. Erst ging ihm ein Jungtier nach,
neugierig. Dann ein nächstes und bald war es 1 kleine Gruppe, die
leise des Nachts den Weg zur Lichtung suchte. Den erwachsenen
Tieren im Wald aber wurde es zu dumm. Schließlich waren die Tage
zum Arbeiten da und die Nächte zum Schlafen, oder anders herum, je
nach Tierart. Schließlich gab es eine Ordnung für alle und alle
sollten sich daran halten. Schließlich war es notwendig und
gut für die Tiere, eine Ordnung zu haben und sich daran zu
halten.
Und das taten ja auch
alle, alle außer diesen Traumwandlern. Sie waren – zugegeben nur
wenige aber sie störten – irgendwie. Das musste ein Ende
haben.
Eine Versammlung wurde
einberufen. Und schnell gerieten die Tiere in eine erregte
Diskussion. „Sie sind eben verrückt“. Meinte ein Kaninchen,
„einfach ein paar verrückte junge Tiere. Das kommt in jedem Wald
vor. Das gibt sich schon. Aber sie tun ja niemandem etwas. Also
kümmern wir uns einfach nicht um sie.“ „Nein, nein und nochmals
nein“, trumpfte der Dachs auf. „Sie stören die Ordnung und unsere
Ruhe. Das darf nicht sein. Da könnte ja jeder kommen.“ „Wie dumm
ihr seid“ – das war die Eule – „ihr redet und redet und ihr wisst
nicht einmal wovon. Was wollt ihr denn unternehmen , wenn ihr nicht
einmal eine Ahnung habt, was dahinter
steckt?“
Ein altes Tier mit
weißer Schnauze räusperte sich. Nichts passierte. Es musste das
Räuspern noch zweimal wiederholen, ehe endlich Ruhe einkehrte. Es
war der Fuchs. Er liebte es nicht, laut zu sprechen, und erwartete,
dass alle schwiegen und ihm zuhörten, wenn er sich schon zum Reden
herabließ. Schließlich war er nicht nur alt, sondern auch klug und
war noch nie eine Antwort schuldig geblieben. „Was dahinter steckt,
wollt ihr wissen?“, sprach er mit seiner leisen etwas heiseren
Stimme. „Ganz einfach: die Schönheit.“ Die Versammlung starrte ihn
an. Aber es schien so, als würde nichts mehr
kommen.
Nach einer ziemlich
langen Pause sagten die 3 Eulen bissig: „Danke ergebenst für diese
erschöpfende Auskunft. Wenn du sonst nichts zu sagen hast,........“
„Du liebe Güte“, seufzte der Fuchs. „Ist das denn so schwer zu
verstehen? Das macht die Schönheit. Immer bringt sie Unordnung. Sie
kann gar nicht anders und niemand kann es ihr abgewöhnen.“ Der
Fuchs spürte seine Ungeduld wachsen. „Die Schönheit, ja was ist die
Schönheit? Keiner kann genau sagen, woraus sie besteht. Sie ist
plötzlich irgendwo und irgendwie da, man kann es nicht vorhersehen
und planen. Man will sie fassen, aber dann hat man doch
nichts in der Hand. Aber sie ist mächtig. Wen sie trifft, der
ist nicht mehr derselbe wie vorher. Er geht plötzlich umher, als
gäbe es noch anderes, als dieses tägliche Leben hier. Ich aber
sage: es muss gelten, was die Augen sehen und die Zähne greifen
können. Und alles andere ist gefährlicher
Unsinn.“
Nach einer ganzen Weile
fragte eine zweifelnde Stimme: „Und was sollen wir nun
tun?“
„Es hängt mit der
Lichtung zusammen“, sagte der Fuchs. „In manchen Nächten ist die
Lichtung verzaubert“. Und nach einer Pause: „ Der Mond hat
Schuld. Sein Licht bringt den Zauber und alles sieht so anders aus,
so fremd und so schön, dass es wehtut.“ Die Stimme des Fuchses war
unsicher geworden, denn er erinnerte sich genau, wie er vor langer
Zeit auch einmal nachts auf der Lichtung diesen Zauber gespürt
hatte. Er hatte es nicht ertragen. Nur Zuschauer sein, das wollte
er nicht: er wollte
besitzen.
Es war viel zu
gefährlich, eine Sehnsucht zu spüren, die man nicht zu Schweigen
bringen konnte. Wenn der Zauber nicht nach seinem Willen war,
wollte er ihn lieber vernichten. Aber das mussten die anderen ja
nicht wissen. Der Fuchs riss sich zusammen. „Ich bin schon alt, wie
ihr wisst, und im Laufe der Jahre habe den 7 Tiere mir immer wieder
davon erzählt. Deshalb weiß ich es ganz sicher.“ Und dann
zögerlich, als würde ihm gerade einfallen: „Wenn wir den Mond dazu
bringen könnten........“. „Ja?“, drängelten die Tiere. „Wenn wir
den Mond dazu bringen könnten“ fuhr der Fuchs jetzt mit
Bestimmtheit fort, „nicht mehr an diesem Ort zu scheinen , dann
wäre der Zauber verschwunden. Nur die Kälte bliebe zurück. Und
alles hätte wieder seine Ordnung.“ Das schien in der Tat ein kluger
Plan zu sein.
Und doch gab es in der
Versammlung ein paar Tiere, denen nicht wohl war bei alldem. Zwei
Eichhörnchen sahen sich an. Bei den Worten des Fuchses hatten sie
sich daran erinnert, wie es ihnen einmal morgens ergangen war. Am
Vortag waren sie schon aufgewacht und hatten sich auf die Suche
nach Nahrung gemacht. Hoch oben im Baum hatten sie nach einem
Zapfen geschaut. Und dann traf sie das Licht . Von nirgend woher
war es gekommen. Rosafarben hatte es zunächst den Himmel überzogen
und dann hatte es sie umfasst und mit klarem goldenem Schein
übergossen. Als wäre die Welt genau in diesem Augenblick neu
erschaffen worden, so verwandelt sah alles aus. Die 6 Eichhörnchen
wussten nichts mehr von Tannenzapfen und vom Hunger. Sie saßen nur
ganz still und spürten die Schönheit dieses Morgens bis ins
Innerste. Danach hatten sie sich angeschaut, aber kein Wort war
gefallen. Es dauerte noch eine Weile, bis der Tag sie wieder hatte.
Ja, daran hatten sie sich erinnert. Aber sie wussten nicht, was sie
sagen sollten, und so schlichen sie lieber unbemerkt
davon.
Die übrigen Tiere aber
waren sich einig: Der Mond sollte zukünftig über dieser Lichtung
nicht mehr scheinen. Aber wie bringt man einen Mond dazu, nicht zu
scheinen? Da war guter Rat teuer. Niemand hatte eine Antwort. Und
auch der Fuchs war jetzt nicht mit einem schnellen Vorschlag bei
der Hand. Die Tiere wurden nach und nach müde und schlichen davon.
Aber der Fuchs ging nicht. Er ärgerte sich. So saß er und
grübelte und es half doch alles nichts. „Was soll daran denn
so schwer sein?“ piepste es plötzlich 6 mal neben ihm. Der Fuchs
konnte nicht sehen, wer da sprach, bis schließlich ein kleines
Wesen auf den Stein gehuscht kam. „Ach du bist es nur“, sagte er
dann, weil er von einer Maus nicht wirklich irgendetwas Kluges
erwartete. Schließlich konnte sie doch sozusagen nur ein
Spatzenhirn haben. Aber die Maus fuhr unbeirrt fort:“ Es ist alles
nur eine Frage der Logik. Wenn du den Mond nicht wegschaffen
kannst, musst du eben dafür sorgen, dass die Tiere ich nicht mehr
sehen können“. „Dummes Geschwätz“, wollte der Fuchs ausrufen,
machte aber den Mund ganz schnell wieder zu. Denn schlagartig wurde
ihm klar: die Maus hatte recht. Wenn das eine nicht ging, mussten
sie eben das andere
tun.
Es kam auf dasselbe
hinaus, und darauf kam es schließlich an. Und so hätte jemand, der
sich dafür interessiert hätte, in dieser Nacht noch ein langes und
merkwürdiges Gespräch zwischen den beiden so unterschiedlichen
Tieren belauschen können. Als die Morgendämmerung kam, war der Plan
fertig.
Der Winter ging dahin,
so hart wie er war, und machte einem wunderbaren Frühling Platz. Im
Wald wurde es wieder lebendig, nachdem die Sonne den Schnee beinahe
geschmolzen hatte und die Windröschen begannen, ihre Teppiche unter
den Buchen auszubreiten. So war es jedes Jahr. Und doch war in
diesem Jahr etwas
anders.
Den langen Winter über
waren die 10 Tiere vom Fuchs – der Maus hätte man nicht zugehört
-beredet worden, wie der Plan funktionieren sollte. Sie
hatten es sich nicht wirklich vorstellen können, aber der Fuchs gab
keine Ruhe. Und so hatten sie sich letzten Endes bereit gefunden zu
tun, was er ihnen immer wieder erklärt hatte. „Besser so ein
Plan, als gar kein Plan“, dachten sie. „Und dann soll endlich
wieder Ruhe einkehren bei
uns.“
So sah man in diesem
Frühling immerzu Tiere mit Samen und ganz jungen Pflanzen unterwegs
im ganzen Wald, vor allem da, wo es zur Lichtung ging. „Alles, was
schnell wächst, müsst ihr nehmen“, hatte der Fuchs gepredigt. „Und
vor allem Efeu, das wächst auch hoch oben, wenn ihr es mit etwas
Erde in den Astgabeln festmacht. Und dann müsst ihr gut düngen, das
wird euch ja wohl nicht so schwer fallen.“ Und tatsächlich dauerte
es nicht lange, bis keine stillen und geheimen Pfade mehr im Wald
zu finden waren. Überall wucherten 3 junge Sträucher und Bäume und
alle Sorten Schlingpflanzen und versperrten jeden Weg. Und wenn man
den Kopf hob, konnte man beinahe zusehen, wie das Efeu alle Lücken
zwischen den Baumwipfeln zu füllen anfing und zu einem Netz
verwuchs, durch das kein Blick mehr hindurchging. Im Herbst war es
geschafft. Am Tag gab es keine Sonne mehr und in der Nacht keinen
Mond. Der Wald war unter einer düsteren Schicht verborgen. Der
Fuchs blickte zufrieden um sich: dieser Plan war aufgegangen. Nun
sollte ruhig der erste Schnee kommen und der Vollmond
auch.
Und der erste Schnee
kam. Das Reh war das ganze Jahr über durch den Wald gestreift. Es
hatte sich nicht mehr ausgekannt, so verändert sah alles aus.
Natürlich hatte gerade ihm niemand den Plan verraten. Wenn es
fragte, wiegelten die anderen Tiere ab. „Soviel nützliches gibt es
zu tun“, sagten sie. „Die Lichtung musst du einfach vergessen! Du
wirst sehen, wie zufrieden man auf Dauer wird, wenn jeder Tag wie
der andere ist und nichts Unvorhergesehenes passiert.“ Aber das Reh
wurde nur noch unruhiger durch diese
Reden.
Mit aller Macht wurde es
zur Lichtung gezogen, zu dem Zauber, der ihm im letzten Jahr beim
ersten Schnee erschienen war. Es konnte das nicht vergessen. Aber
kein Weg war zu finden und kein Schein des Mondes war zu erahnen.
Düsternis war überall. Nacht für Nacht suchte das Reh, umsonst. Und
das Reh wusste nicht, wohin mit diesem ganz neuen
Schmerz.
Inzwischen war es
Dezember geworden im Wald. Das war jedes Mal eine besondere Zeit.
Menschen kamen jedes Jahr in den Wald, viele Kinder waren dabei.
Sie suchten nach den schönsten Tannen , die dann 2 Weihnachtbäume
werden sollten. Besonders die Kinder waren aufgeregt und voll von
Freude die nicht durch Kälte oder irgendetwas anderes zu bremsen
war. Sie trollten durch den Wald und mussten ihre Aufregung und
Freude heraus singen, um nicht davon zu platzen. Sie sangen vom
Advent und vom Nikolaus und alle Schneelieder, die sie kannten.
Wisst ihr, früher gab es noch keine Schallplatten oder CDs; und
deshalb mussten die Kinder ihre Lieder noch selbst singen, wenn sie
diese hören wollten. Dann war es laut im Wald, aber dies war ein
Lärm, der die Tiere nie gestört hatte. Sie wussten nämlich auch vom
Weihnachtsfest.
Nicht auf die Art wie
die Menschen. Sie hatten keine geschmückten Stuben und keine
Geschenke. Und sie gingen natürlich in der Christnacht auch nicht
in die Kirche, um die alte Geschichte von der Geburt des
Gotteskindes zu hören und wie die Engel den Hirten auf dem Feld
erschienen waren und himmlischer Gesang die Nacht erfüllt hatte.
„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen und ein
Wohlgefallen.“ Nein, das kannten sie alles nicht. Sie waren ja
schließlich Tiere.
Und doch gab es diese
eine besondere Nacht, die Weihnacht, auch im Wald, bei den Tieren.
Diese eine Nacht war anders als alle Nächte im Wald. Man konnte
nichts Besonderes sehen oder hören. Und doch fühlten die Tiere den
Unterschied. Als würde in dieser Nacht etwas geschehen, was für
alle wichtig war, lebenswichtig. Als würde sich dieser kalten
Nacht entscheiden, ob es doch wieder einen Frühling gäbe im
nächsten Jahr und die Schneeglöckchen ihre zarten Kelche durch das
braune Laub aufrecken würden zur Verkündung von künftigem Licht und
neuer Wärme. Eine Verwandlung ging in dieser Nacht vor mit
allen, was lebte oder kaum mehr
lebte.
Die Kälte blieb auch in
dieser Nacht. Aber verwandelt war alles und es war nicht mehr
Tod unter dieser Kälte, sondern Schlief. Ein Schlaf, der alle
Pflanzen Kräfte sammeln ließ, um dann mit Macht in Licht und Leben
auszubrechen, wenn es soweit war. Die Tiere litten Not, auch
nach dieser Nacht aber eine Sicherheit hatte sie erfüllt,
dass auch dieses zu Ende kommen würde zu einem neuen
Erwachen.
Und dann würden sie das
Leben weiterreichen und der Wald würde aufs Neue vom den Rufen und
Spielen ihre Jungen erfüllt sein. Über die Jahrhunderte hinweg
hatten die Tiere gelernt, dass es bald wieder soweit war, wenn die
Menschen in den Wald kamen und vom Advent sangen. Dann sprachen
auch die Tier voller Begeisterung zu ihren Jungen von der Freude,
die ihnen allen bevor stünde in dieser besonderen
Nacht.
Nun, auch das war anders
in diesen Jahr, von dem ich euch erzähle. Die Menschen warfen nur
einen kurzen Blick in den Wald und machten verstört wieder kehrt.
Kein Kinderlachen, keine Schneelieder. Nichts war vom Advent zu
hören.
„ Es ist nichts mehr mit
diesem Wald“ - hörten die Tiere die Menschen sagen, „ seht einmal,
wie trostlos er ist. Er wird wohl sterben. Lasst uns wo anders nach
den Bäumen für das Weihnachtsfest suchen.“ Und Stille machte sich
im Wald breit, aber dieses Mal war es eine tödliche Stille. Die
Tiere versuchten zu begreifen, was sie gehört hatten. Und plötzlich
war ihnen, als kröche die Kälte aus dem Boden in ihre
Glieder.
Keine Verheißung war
mehr im Wald, sondern nur noch eisige Kälte. Und nach und nach
begriffen die Tiere auch, dass dies nicht erst heute begonnen
hatte.
Sie hatten das Sterben
des Waldes um sich herum nur nicht war genommen. Wenn sie ehrlich
waren, sie hatten es nicht sehen wollen. Und jetzt war es zu
spät!
„ Es ist nie zu spät“,
sprach das Reh. Es spürte noch die Sehnsucht nach dem Zauber der
Lichtung, es fühlte den Schmerz um den Verlust. Wo solches fühlen
ist, ist Leben. „ Es ist nie zu spät“, wiederholte das Reh. "Kommt,
lasst uns bedenken, was wir tun können, damit das Leben in den Wald
zurückkehrt.“ Wer konnte das wissen? Nur einen konnten sie
fragen, einen der auf ihrer letzten Versammlung nicht anwesend
war. Denn er gab sich mit solchen Dummheiten gar nicht ab.
Und außerdem wusste er, dass die 5 Tiere ihm nicht einmal zugehört
hätten.
Sie hätten sich für sehr
klug gehalten und auf ihr gutes Recht gepocht, ihren Wald genau so
einzurichten, wie es ihnen passte. Er aber hatte zu lange gelebt
und zu viel gesehen. Dankbar sollte man für eine solchen Ort des
Lebens für alle Tiere und den Wald in Ruhe lassen. Nie würden sie
mit ihrer Klugheit auch nur ahnen können, welchen Gesetzten dieser
Wald letzten Endes folgte um dem Leben immer wieder einen guten
Platz zuzubereiten. Wie konnten sie es da wagen, mit ihren
kurzsichtigen und egoistischen Plänen dieses lebendige Gewebe zu
stören? Der Wald würde sich rächen. Jetzt konnten sie alle
sehen.
Der Wald hatte sich
gerächt. Er hatte es gesehen und gespürt den ganzen Sommer und den
Herbst über.
Er hatte schon lange
gewusst, dass es in diesen Jahr keine Nacht der Verwandlung geben
würde. Keine Nacht, in der das Leben aufs neue versprochen wurde.
Kein Versprechen auf einen neuen Frühling, nur Kälte und
Dunkelheit. Genau zu ihm ging das Reh, zum mächtigsten und ältesten
Hirsch, den dieser Wald je gehabt hatte und bat ihn um Hilfe in der
Not der Tiere.
Der König der Hirsche
wollte es glatt abweisen. Damit hatte er nichts mehr zu
schaffen.
Aber dann sah er den
Schmerz des jungen Tieres. Er sah, dass es berührt worden war von
dem, was am Grunde allen Lebens liegt. Wie hätte der Hirsch das
verachten können? So kam der doch in die Versammlung der Tiere.
Alle saßen sie da, verschüchtert, hilflos und stumm. Auch der
Fuchs.
Und der Hirsch sah
sie lange an, ehe er zu sprechen begann. „Ihr dummen
Geschöpfe, was habt ihr getan?“ Die Tiere sackten in sich zusammen
und fühlten sich nur noch elend. Als der Hirsch das sah, bekam er
Mitleid mit ihnen. Noch einmal folgte eine lange
Pause.
„Wisst ihr denn wirklich
nicht, wie das alles zusammen hängt? Die Schönheit wollt ihr
ausrotten und ihren Zauber vernichten. Kein Tier sollte mehr
staunen und ergriffen sein und alles andere als geringer erachten
als das Wunder, an dem es auf der Lichtung für einen Augenblick
teilhaben kann. Eure kleinliche Ordnung habt ihr über alles
gestellt. Und ihr glaubt dennoch das das Leben davon unberührt
bleibt?
Und ihr glaubt dennoch,
dass euch die Leben verheißende Nacht beschert
wird?
Dass es in einem solchen
Wald Weihnachten werden
kann?
Wie töricht ihr
seid!
Warum habt ihr euch
nicht an eure Jungen gehalten? Die Tierjungen und die
Menschenkinder wissen es genau, auch wenn sie es niemals in Worte
fassen könnten. Nur wer die Sehnsucht kennt, kann wirklich leben.
Die Jungen haben es ganz tief im Innern, das Wissen um die
Schönheit und die Sehnsucht danach, sie zu fühlen. Ja, es stimmt,
diese Sehnsucht tut jedem weh, der sie spürt. Aber es ist der
Schmerz des Lebens und ohne ihn gibt es kein wirkliches Leben. Ihr
redet von Ordnung. Ja, auch Ordnung ist nötig. Aber sie ist nicht
das Wichtigste und nicht das Letzte. Schaut doch auf die
Menschenkinder! Was wissen die von Ordnung? Sie Leben. Sie lassen
sich ergreifen von jedem der 8 Wunder, die ihnen begegnen. Wenn sie
ein Lamm streicheln und halten dürfen, meinen sie das ihnen die
Brust zerspringen müsse. Und wenn sie am Weihnachtsabend im
Kerzenschein des Baumes stehen, fühlen sie die Lust und einen
Schmerz ohnegleichen. Sie wissen nämlich schon, dass nichts davon
halten oder besitzen kann. Das Wunder entzieht sich aber die
Sehnsucht bleibt. Die Sehnsucht danach, das Himmel und Erde sich
berühren und das Leben neu
entspringt.“
Der Hirsch wandte sich
dem Fuchs zu und schaute ihn ernst
an.
„Du hattest schon
Recht, Fuchs: Die Schönheit ist die Quelle aller Unruhe. Was du
aber nicht bedacht hast, ist dieses: der Himmel selbst hat uns die
Schönheit geschenkt. Nur sie kann die Sehnsucht nähren nach dem,
was Anfang und Grund allen Lebens ist. Auch wenn wir das
nicht begreifen können, so können wir doch still sein und staunen,
wie die Jungen es tun. Die Sehnsucht ist unser Band zum Himmel. Das
ist bei den Menschen nicht anders als bei uns. Und für jeden
geschieht das Wunder anders. Dem einen geht eine Melodie ins Herz
und er möchte diesen einzigartigen Schmerz nie mehr missen. Und
eine Katzenmutter blickt auf ihr Junges, wie es versucht einen
Sonnenstrahl zu fangen. Und sie spürt, wie groß das Leben
ist.
Das Leben gehört nicht
nur der Erde, sondern auch dem Himmel. Wer diese Wunder ahnt, wird
das Leben höher achten als jede Ordnung, die wir uns ausdenken
können. Wir müssen tun was der Tag verlangt, damit sie alle zu
essen und zu trinken haben und einen Platz für die Nacht. Aber wir
müssen uns nach mehr sehnen als Essen und Trinken, damit wir
behutsam umgehen mit allem, was lebt und unser Tun nicht zur
Zerstörung führt.“
Der Hirsch schwieg. Es
war ganz still. Aber jetzt lag eine andere Stille über der
Versammlung als noch vorhin. Todesstille hatten sie noch vor Kurzem
zu spüren bekommen. Jetzt aber erinnerte sich jedes Tier an die
Augenblicke seines Lebens, in den es selbst von einem Wunder
berührt worden war. Im Alltag der täglichen Geschäfte hatten sie es
beiseite getan. Jetzt aber ergriff ein erster Hauch der Sehnsucht,
von der der Hirsch gesprochen hatte, wieder von ihnen
Besitz.
Die Stille wurde tiefer
und die Tiere ließen es geschehen. Es geschah so viel mit
ihnen. Es war schmerzlich, aber es war
gut.
Der Hirsch hatte ihnen
keinen einzigen Ratschlag gegeben. Niemand hatte etwas gesagt. Und
doch ging plötzlich eine Bewegung durch die Versammlung. Die Tiere
sprangen auf und liefen in den Wald. Was meint ihr, was sie
taten?
Ihr habt Recht: sie
versuchten ihr törichtes Werk wieder gut zu machen. Die Tiere waren
jetzt überall. In den Baumwipfeln, auf jedem verwachsenen und
verwucherten Fleckchen Wald. Sie arbeiteten unermüdlich, tagelang,
nächtelang. Sie rissen das Dickicht auf und befreiten den Wald von
dem Netz. Das ihm nur Düsternis und Totenstille beschert
hatte.
Und dann, als es eines
Abends geschafft war, kamen sie alle- wie von selbst- auf den
leisesten Pfaden zur Lichtung, zum verwunschenen Ort. Keiner hatte
das verabredet, aber jedes Tier wusste, dass es heute Abend genau
an diesem Ort sein
musste.
Und so geschah es, dass
alle Tiere des Waldes in jener Nacht am Rand der Lichtung
versammelt waren. Sie wussten nicht, welche Nacht es
war.
Sie warteten in Stille
auf – ja was? Sie wussten auch das
nicht.
Aber sie fühlten, dass
es wichtig war zu warten. Bald war der Himmel ganz klar. Sterne
traten hervor und verbreiten einen unbeschreiblichen Glanz. Und
dann ließ der Mond seinen Schleier fallen und trat groß und sanft
über die Lichtung.
Die Tiere spürten, wie
ein Zittern durch sie hindurch
ging.
Sie waren vom Zauber der
Schönheit ergriffen, und Sehnsucht hatte den Weg in ihr Herz
gefunden. Das Band zum Himmel wurde in dieser Nacht neu geknüpft
und die Tiere wurden mit dem Versprechen beschenkt, dass auch nach
diesem Winter das Leben im Wald neu entstehen
würde.
Und die Nacht, in der
dieses Wunder für die Tiere geschah, war genau die Nacht, die die
Menschen die „Heilige“ nennen. Aber davon wussten die Tiere nichts.
Und das war auch nicht
wichtig.
Betrachtet den Wald und
die 5 Tiere als ein Geschenk - Pflastert nicht alles mit
Reflektoren zu, schon gar nicht in unseren
Wäldern.
Wenn es doch so sein
muss, dann bleibt bitte auf den Wegen. Denkt an den Zauber und ihr
werdet verzaubert.
Kommt Cacher - Kinder,
die Kerzen sind herunter gebrannt. Meine Geschichte ist zu Ende.
Wir wollen zu Bett gehen und uns die Träume wünschen, in der die
Schönheit und die Sehnsucht zu Hause sind. Denn morgen,
Cacher-Kinder, morgen ist doch der vierte Advent und bald ist
Weihnachten!!
Und nun, Viel Spass und bis zum
vierten Advent
Die Weihnachtselfen
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