Im Verließ
„Ich gestehe.“ Tränen liefen aus den geschwollenen, blau geschlagenen Augen des Mannes, der noch vor einem Monat Herr der Komturei in Troyens und der Festung war, in dessen Verließ er nun gepeinigt wurde. Blut klebte im ehemals sorgsam gestutzten Bart des 53-jährigen Mannes. Arno von Weydengrundt-Cramm, Komtur des Ordens der armen Ritter Christi vom Salomonischen Tempel zu Jerusalem in Troyes und ältester Sohn von Gottfried Weydengrundt-Cramm, dem Landgraf von Baden im Erzbistum Bremen. Seit nun mehr 26 Tagen siechte er in den Kerkern der Templer-Burg. Seit dem 13. Oktober 1307 als Philipp IV. der Schöne, König von Franzien, seinen Geheimdienstchef Guillaume de Nogaret angewiesen hatte, alle Mitglieder des Templerordens im ganzen Lande zu verhaften und der Häresie und Blasphemie anzuklagen. 26 Tage Schläge mit Eisenplatten beschlagenen Handschuhen, Wasserfolter und Brandmarkungen. All das hatte er, dank seines unerschütterlichen Glaubens zu Gott, ausgehalten. Nicht jedoch die angsterfüllten Schreie seiner 14-jährigen Nichte Mariella als Odo, der bucklige Folterknecht des Großinquisitors Bernhard Gui, sich ihr mit dem glühenden Ende einer Eisenstange näherte.
„Ich will nicht dass du gestehst“ Bernard Gui spuckte aus. „Mir ist es egal, ob Ihr dem Antichrist huldigt oder euren Schwengel im After eines Ministranten versenkt. Ihr, mein lieber Weydengrundt-Cramm, seid Mitglied des geheimen Rates des Ordens und Hüter der „Heiligen Weisheit“ der Templer. Das ist es was ich von euch haben will.“ Arno zuckte. Woher konnte Gui das Wissen? Nicht einmal seine engsten Vertrauten wussten überhaupt von der Existenz des Rates. Und wie konnte er von der „Heiligen Weisheit“ erfahren haben? Die Liste, die alle Großmeister von Hugo de Payns bis zur heutigen Zeit beinhaltet. Außerdem die Namen der „Wissenden“, die Mitglieder des geheimen Rates und alle Geheimnisträger des Templerordens. War es am Ende doch wahr, dass Philipp Verräter in den Orden geschleust hatte? „Nun, da habe ich wohl ins Schwarze getroffen“ grinste der Inquisitor und zückte aus der Innentasche seiner Robe ein Pergament.

„Wir werden morgen etwas plaudern und dann werden wir sehen, ob uns eure liebreizende Nichte dabei helfen kann, dieses Dokument zu entschlüsseln.“ Gui tupfte sich mit seinem spitzenbesetzten Tuch über die, vor Sabber feuchten Lippen als er Mariella, die die Blöße ihres Oberkörpers nur notdürftig mit ihrem zerrissenen Leinenhemd bedecken konnte, über den Kopf tätschelte. Dann wandte er sich an Odo. „Bring ihn zurück in sein Loch und lass´ die Finger von dem Mädchen. Wir brauchen sie noch.“ „Ja, Sire“ Odo blickte enttäuscht.
Die schwere, eisenbeschlagene Eichentür krachte an die Wand und riss Franz aus seinem unruhigen Dämmerschlaf. Geblendet vom plötzlichen Licht der Pechfackeln hielt er seinen, von Blutergüssen übersäten Arm, vor die Augen. Würden sie ihn wieder holen oder war diesmal sein Zellengenosse und Ordens-Bruder Guido van Somm dran? Guido, ehemals Sekretär des Komturs von Troyens, verkroch sich in die hintere Ecke als der ohnmächtige Körper ihres Meisters auf den nackten Steinboden der Zelle geschleudert wurde. „Der Inquisitor hat für heute das Interesse an euch verloren“ grunzte Odo und stieß mit dem Fuß eine Schale dünnen Hirsebrei in die Zelle. „Damit ihr nicht noch ohne Geständnis verreckt…“ lachend verriegelte er die Kerkertür. „Heute ist euer Glückstag. Hahaha…“
Den blonden, hochgewachsenen und muskulösen Franz Antonius Freiherr von Juffingen verband eine lange Freundschaft mit seinem Komtur Arno von Weydengrundt-Cramm. Franz wuchs in Ebbs bei Kufstein im Herzogtum Bayern auf. Im Zisterzienser-Kloster, in das er als sechsjähriger Bursche kam, wurden ihm sowohl die Lehren Jesu Christi als auch der Umgang mit Lanze und Schwert vermittelt. 1289 folgte Franz dem Aufruf Papst Nikolaus IV. zu einem neuen Kreuzzug zur Rettung der Christen im Outremer. Franz landete in Zypern, wo er, noch bevor er das heilige Land betrat, zum Ritter geschlagen wurde und vom Großmeister Guilliaume de Beaujeu die Pergamenturkunde erhielt, die ihm die Zugehörigkeit zum Orden der Templer bescheinigt. Im Februar 1291 landete er in der Hafenstadt Akkon, die dann im April von den Mamelucken unter Sultan al-Ashraf Chalil angegriffen wurde. Als die Stadt gestürmt war und nur noch die Eisenburg der Templer Widerstand leisten konnte, befahl Thibaud Gaudin, der Nachfolger des tödlich verwundeten Großmeisters Beaujeu, Arno mit einer kleinen Anzahl von Rittern den Ordensschatz nach Château Pèlerin in Sicherheit zu bringen. Franz wurde dabei schwer verwundet und verdankt sein Leben einem vom Loch Fyne in den schottischen Highlands stammenden Templer namens Angus Brychan MacLachlainn. Nachdem im August 1291 auch diese Festung aufgegeben werden musste, kehrten Franz und Angus über Zypern ins Abendland zurück. Seit dem dienten sie in Troyens unter ihrem Komtur Arno von Weydengrundt-Cramm.
Franz kniete sich nieder und nahm den geschundenen Kopf seines Meisters in den Schoß. Guido schnappte sich die Schale und fing an, gierig den Hirsebrei zu löffeln. Franz sprang auf und entriss dem jungen, erst seit wenigen Monaten zum Orden gehörenden, Bruder die Schale. „Denkst du eigentlich immer nur an dich?“ schrie Franz und kehrte mit dem Essen zu seinem Meister zurück. Behutsam füllte er seinem Meister einige Löffel des übelriechenden Breis durch die geschwollenen Lippen in den Mund. Dann gönnte er sich selber etwas Hirsebrei. „Franz, mein treuer Freund“, röchelte Arno wieder etwas erstarkt. „Nun ist es vorbei.“ Meister…“ „Schweig still und höre“ fuhr Arno ihm über den Mund. „Gui hat, wie auch immer, von meinem Geheimnis erfahren. Ich bin der Hüter der geheimen Liste der Großmeister. Außer mir kennt niemand den Aufenthaltsort dieses Pergaments…“ Arno stockte. „Im Kloster Brienne-le-Château findest du den ersten Hinweis…“ Franz wurde schwindelig. „Finde alle Hinweise und du erfährst das Versteck der Liste. Sie enthält die Namen aller Großmeister und die der „Wissenden“… das Pergament muss in Sicherheit gebracht werden… Familienwappen… mein Freund Pater Pius Boly… Geheimfach… Scriptorium in Mü…, ron… ist... n…“, dann verstummte der Komtur und auch Franz wurde schwarz vor Augen. Dass er hart mit dem Kopf auf die Steinplatten des Kerkerbodens fiel bekam er nicht mehr mit.
Die Flucht
Schläge…, sie schlugen ihn wieder ins Gesicht. Franz kam langsam zu sich. Aber… irgendetwas war anders. Er spürte kein Eisen, kein hartes Leder, er fühlte keine Schmerzen. „Gelobt sei Jesus Christus, er kommt wieder zu Sinnen.“ Das war die tiefe, raue Stimme von Angus. Angus? Das kann nicht sein! War er ins Himmelreich gefahren? Franz öffnete vorsichtig die Augen. Nachdem er sich an das Tageslicht gewöhnt hatte, erblickte er den blauen Himmel zwischen den laublosen Baumkronen. Dann erkannte er seinen Freund und Bruder Angus Brychan MacLachlainn. „Du kannst jetzt aufhören ihn zu ohrfeigen“ sprach Ammar Faruq Shakir. Der aus Syrien stammende Turkopolier war Christ und Gehilfe im Rang eines Sergeanten der Templer. Als Akkon fiel begleitete Ammar seine Freunde ins Abendland. „Lass mich ihm noch einen Schluck der Medizin geben“, sprach der Syrer, öffnete die kleine Tonphiole und träufelte Franz ein paar Tropfen der übel riechenden Flüssigkeit auf die Lippen. „Du bist mit dem Antichrist im Bunde“, sagte Angus und bekreuzigte sich. Franz richtete sich auf. „Meine Brüder, wie ist das möglich, was ist passiert?“ Von rechts war ein Stöhnen zu hören. „Unser holländisches Jungchen kommt zu sich“, grinste Ammar. „Ich bin kein Holländer“, zischte Guido van Somm, „Ich stamme aus Arnheim, mein Vater ist der Herzog von Geldern, du stinkender Mamelucke.“ Angus machte einen Satz und hielt Ammar zurrück, der gerade dabei war sein Sarazenenschwert zu ziehen. Guido sprang ängstlich auf und hielt seinen Arm schützend vors Gesicht. „Du Hund, ich habe dir das Leben gerettet“, schrie Ammar. „Wenn´s nach mir gegangen wäre, hätten wir dich auf dem Leichenberg zurück gelassen.“ „Hätte jetzt vielleicht mal irgendjemand die Güte, mir zu erklären was passiert ist?“ sprach Franz und entschärfte somit die Situation. „Was ist mit unserem Meister?“ „Er ist vor seinen Schöpfer getreten“ erwiderte Angus und bekreuzigte sich. „Lass mich am Anfang beginnen.“ Sprach Ammar, der sich wieder beruhigt hatte. Franz nickte. „10 Sous-Livres haben wir einem Wärter bezahlt, damit er ein wenig meines Geheimrezeptes in euer Essen mischt. Hauptsächlich bestehend aus Opium, Stechapfel und Alraunen, bewirkt es einen todesähnlichen Tiefschlaf. Wir rechneten damit, dass man euch, nach eurem vermeintlichen Tod, einfach auf den Leichenberg hinter die Festung werfen würde. Im Schutz der Dunkelheit legten wir euch auf einen Karren und verschwanden bevor die Knechte den Leichenberg am Morgen entzündeten.“ „Gut, aber was ist mit unserem Komtur?“ erwiderte Franz. Ammar stockte. „Man erzählt sich in der Stadt, dass als man euch in eurer Zelle fand und der Medicus euren Tod feststellte, Bernard Gui so in Rage kam, dass er dem Kerkermeister den Kopf abschlug und unserem Komtur die Kehle durchschnitt und wie von Sinnen auf ihn einstach.“ Franz bekreuzigte sich. Ammar fuhr fort. „Den Meister nahmen wir mit. Er liegt dort drüben zwischen den Bäumen begraben.“ „Was ist mit den anderen Brüdern unserer Komturei?“ fragte Franz. „Die, die überlebt haben, sind in Ketten gelegt und verschleppt worden“, antwortete der Schotte. „Soweit wir beobachten konnten, seid ihr die einzigen Brüder, die hier in Troyens verhört wurden. Auf dem Leichenberg waren außer euch nur noch der kopflose Kerkermeister und ein geschändetes, junges Mädchen.“ Langsam senkte sich die Nacht auf die Lichtung im Forêst d´Orient in dem die letzten Brüder des Ordens der Templer in Troyens, Zuflucht gefunden hatten. Mit dem Komplet, dem Nachtgebet, bestehend aus einem Hymnus, Psalmen und dem Gesang Nunc dimittis,beendeten die Brüder den ereignisreichen Tag.
Als Franz am nächsten Morgen nach dem Laudes und einem Bad, in dem novemberkalten Wasser des nahe gelegenen Weihers, seinen strahlend weißen Habit mit dem blutroten Tatzenkreuz über das Kettenhemd und die lederne Reithose zog, darunter frische Leinenunterwäsche, fühlte er sich wie neugeboren. Angus reichte ihm sein Schwertgehenk und den Messergürtel. Dazu das Croix Patée, das Kreuz der Templer. „Angus, mein Freund, wie habt ihr unserer Ausrüstung habhaft werden können?“ staunte Franz. „Nun, als wir am schwarzen Freitag von der Jagd kamen…“ „Einem Ordensbruder ist es untersagt auf die Jagd zu gehen“ fiel Guido ihm ins Wort. „Wenn du noch Mal das Maul aufreißt, wenn zwei Erwachsene sich unterhalten, dann finde ich Wege es dir zu stopfen, Jungchen“, erwiderte der hünenhafte Schotte. „Also, …ich begleitete unseren muselmanischen Freund in den Wald“, fuhr Angus fort „um aufzupassen, dass er keiner angriffslustigen Wildsau zum Opfer fällt. Als wir zurückkehren, brennt die Komturei. Überall die braun-schwarzen Lederroben der Gens du Rois und die blau-gelben Überwürfe der Häscher Philipps. Wir konnten nicht eingreifen. In der nächsten Nacht sind Ammar und ich wieder hin, haben die wenigen verbliebenden Soldaten ausgeschaltet, der Herr sei ihrer armen Seelen gnädig, und uns geholt was wir brauchten. Pferde, Waffen, Proviant, Geld aus der versteckten Kammer… Wir sind bereit um unsere Brüder zu rächen“ fuhr Angus fort. „Wie ist unser Plan?“ „Wir sind die Armee Christi! All die die Unrecht getan haben, werden von ihrem Schöpfer zur Rechenschaft gezogen werden“, entgegnete Franz. „Wir haben einen anderen Auftrag. Wir müssen ins Kloster nach Brienne-le-Château zum Zisterzienser-Pater Pius Boly, dem Freund unseres Meisters. Er wird uns helfen, die „Heilige Weisheit“, die Liste der Großmeister der Armen Ritter Christi vom Salomonischen Tempel zu Jerusalem, in Sicherheit bringen.
Ammar trat aus dem Wald auf die Lichtung. In den Händen die Zügel ihrer Pferde. „Tonnerre, mein treuer Gefährte“, Franz sprang auf und tätschelte die Ohren seines riesigen Destriers. Der muskulöse, schwarze Hengst hob freudig den Schweif und knabberte behutsam an Franz´ Schulter. Angus´ bevorzugte Rasse waren Coursers. Nicht ganz so groß und muskulös, dafür etwas schneller. Sultan, der dunkelbraune Araberhengst von Ammar, sah aus wie ein Spielzeug, neben den riesigen Schlachtrössern der Tempelbrüder. Außerdem hatte Ammar noch zwei Runtziden im Schlepptau. Guido war aufgestanden und ging auf den Courser zu. „Wage es nicht mein Ross zu berühren.“ Angus´ Stimme klang bedrohlich. „Ich bin der Sohn eines Fürsten.“, entgegnete Guido. „Ihr glaubt nicht im Ernst, dass ich auf der Mähre eines Waffenknechtes reite.“ „Du reitest einen Runt oder du gehst zu Fuß. Du kannst wählen.“
Im Kloster
„Wie kann ich euch helfen?“ fragte der gutmütige und recht beleibte Abt des Zisterzienser-Klosters, das gut versteckt mitten im Wald von Brienne-le-Château lag. Die Tempelbrüder waren den ganzen Morgen geritten und erreichten das Kloster von Pater Boly, ohne Zwischenfälle, gerade rechtzeitig zur Non, dem Nachmittagsgebet. „Mein Meister, der Komtur des Ordens in Troyens, der Herr sei seiner Seele gnädig, schickte mich zu Euch mit einem Auftrag“ Franz blickte sich um. Die Schreibstube des Abtes war spartanisch eingerichtet. Ein Schreibpult, ein grob gezimmerter Tisch und vier Stühle. Das einfache Holzkreuz hing neben dem Kamin, dessen Feuer es kaum vermochte die eisige Kälte zu bannen, die durch das nur mit einem geölten Ziegenfell abgedeckte Fenster in den kleinen Raum drang. „Wir möchten eure Gastfreundschaft nicht zu lange beanspruchen“, sprach Franz. „Obwohl es wenig wahrscheinlich ist, dass das Fehlen unserer toten Körper auf dem Leichenberg auffällt, so besteht doch die Gefahr, dass Philipps Häscher auch bei euch nach geflohenen Brüdern suchen.“ „Oh, da macht euch mal keine Gedanken“ sprach der Pater und goss aus einem großen Tonkrug etwas Ziegenmilch in die Holzbecher. „Die Söldner Philips waren erst vor zehn Tagen hier und haben unsere Mauern durchsucht. Sie vermuten eher, dass die entkommenen Tempelritter in die deutschen Landen geflüchtet sind. Der König des römisch-deutschen Reiches Albrecht I. beteiligt sich zwar nicht an der Verfolgung der Ordensbrüder, kann sie aber nicht offen unterstützen, um es sich nicht mit Philpp zu verscherzen. Zumal der Habsburger mit Polen und dem Böhmischen Reich schon genug Probleme hat. Außerdem tanzen ihm einige der rheinischen Kurfürsten auf der Nase herum, die unverhämt mit Philipp sympathisieren. Hier seid Ihr fürs Erste sicher.“ Der Pater stand auf und ging zu seinem Schreibpult. Er öffnete den Deckel und kam mit einem Pergament zurück an den Tisch. „Dieses Schriftstück hinterließ mir mein Freund Arno, zusammen mit seinem Siegelring zur Aufbewahrung. Sollte ihm etwas zustoßen, würde er jemanden schicken, seine Aufgabe zu vollenden. Nun, ich denke, damit ward wohl ihr gemeint“, sprach der Abt und überreichte Franz den Ring und das Dokument mit dem Familienwappen derer von Weydengrundt-Cramm.

„Mir ist diese Art der Verschlüsselung nicht gänzlich unbekannt, dennoch vermochte ich nicht ihren Sinn zu entschlüsseln“, fuhr der Zisterzienser-Pater fort. „Ich bin davon überzeugt, dass hier ein Schlüssel verwendet werden muss. Und bedenket: die Amtssprache der Mitglieder des Orden der Templer ist franzisch, wenn auch euer Meister nicht perfekt im Umgang mit Schreibweise und Grammatik dieser Sprache war.“ Franz betrachtete das Schriftstück. Er hatte schon eine Idee. „Kurz vor seinem Tod sprach mein Meister von einem Scriptorium, ich konnte ihn nicht genau verstehen, Mü... Müron…“ „Münster“ rief Pater Boly. „Euer Meister hat sehr viel seiner freien Zeit in der Domstadt in den deutschen Landen verbracht.“ „Gut“, sprach Arno. „Dann werde ich nach Münster reisen.“ „So sei es“ erwiderte der Pater lächelnd. „Doch vorher lasset uns zur Vesper gehen.“ Nach der letzten Hore des Tages versammelten sich die Mönche des Klosters mit Franz und seinen Begleitern im Refektorium. Ammar, der zwar gläubiger Christ, jedoch kein Mönch war, hatte sich in der Zwischenzeit um die Pferde gekümmert. Das Abendmahl, bestehend aus Hartwurst, Ziegenkäse, frisch gebackenem Brot und dünnem Bier, wurde schweigend zu sich genommen. Nach dem Komplet begaben sich die Mönche ins Dormitorium. Die Bettstellen dieses, direkt über dem Chorraum liegenden Schlafsaales, waren mit Stroh ausgelegt und nur durch einfache Holzwände voneinander getrennt.
Der Verrat
Ammar wurde durch ein Geräusch aus dem Schlaf gerissen. Der Syrer hatte es vorgezogen, im Stall bei den Pferden zu schlafen. Er warf die Decke beiseite, setzte sich auf und zog die gewellte Klinge seines Sarazenen-Dolches aus der kunstvoll verzierten Scheide. Die Schlachtrösser und die Maultiere der Mönche scharrten unruhig mit den Hufen. Vorsichtig und ohne ein Geräusch zu verursachen, schlich Ammar Richtung Stalltür, die sich rechts um die Ecke befand. Plötzlich schepperte das Essgeschirr das der Syrer neben seinen Schlafplatz gestellt hatte. Er schnellte herum… eine Ratte bediente sich an den Käseresten. Als er sich wieder dem Ausgang zuwandte, war das Letzte das er wahrnahm, ein Schatten und den Luftzug, den die riesige Eichenbohle verursachte, kurz bevor sie gegen seine Schläfe donnerte. Dann wurde es schwarz.
„Mon Sire, mon Sire… L´arab est mort“. Sich wie besessen bekreuzigend stürzte ein jungenhafter Novize ins Dormitorium. Franz und Angus sprangen auf und rannten, mit ihren Schwertern in der Hand, die Treppen vom Schlafsaal herunter, um in die Stallungen zu gelangen. Als sie über das Katzenkopfpflaster des Hofes rannten, sprang die Stalltür auf. Ammar torkelte, heftig auf Arabisch fluchend, ins Freie. „Der Courser und eins unserer Packpferde sind gestohlen“, brüllte Ammar. Im Schein der Fackel konnten die Brüder erkennen, dass Blut aus einer großen Platzwunde an der Stirn rann.
„Ihr müsst so schnell es geht fliehen“ sprach Pater Pius. Es war kalt im mäßig beleuchteten Arbeitszimmer des Abtes in dem sich Franz, Angus, Ammar und der Zisterzienser-Pater zur Besprechung versammelt hatten. „Guido war zum Nachtgebet noch anwesend“, sagte Franz. „Die Sonne geht in zwei Stunden auf, das bedeutet der elende Verräter hat etwa 2 Stunden Vorsprung.“ Angus ergriff das Wort. „Der Pater hat recht. Der holländische Hund wird nicht einfach geflohen sein. Er wird uns verraten um seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.“ „Was ist mit euch und euren Brüdern“ Franz wandte sich an den Abt. „Ihr habt uns Unterschlupf gewährt. Das wird den Häschern Philipps nicht gefallen.“ „Oh, macht euch um uns keine Sorgen“, sprach der Abt. „Wir versorgen die Garnison mit Bier, Wein und Käse. Darauf wird man nicht verzichten mögen.“
Das Donnern der Hufe von zwanzig Schlachtrössern unterbrach das Gebet der Mönche, die sich gerade zur Prim im Chorraum des Klosters versammelt hatten und nun in den Hof traten. „Im Namen seiner Majestät König Philpp des IV. befehle ich, Großinquisitor Bernard Gui, die Herausgabe der flüchtigen Tempelritter Franz Antonius Freiherr von Juffingen und Angus Brychan MacLachlainn sowie deren Begleiter“, brüllte Gui. Die schwarz-braun gekleideten Soldaten der Geheimpolizei waren von ihren Pferden gesprungen und begannen das Kloster auf den Kopf zu stellen. „Templer? Ich war im Glauben, dass alle Templer verhaftet wären“, sagte Pater Pius mit unschuldiger Mine. „Wir gewährten drei Johanniter-Mönchen auf der Durchreise Quartier für die Nacht, bevor sie heute vor Tagesanbruch ihre Reise nach Dijon fortsetzten.“ „So so, nach Dijon.“ Gui sprang von seinem Pferd, packte den Pater mit der linken Hand am Nacken und stach ihm mit der rechten Hand seinen edelsteinbesetzten Dolch bis zum Schaft in den Hals. „Ihr seid sicher, dass sie nach Münster wollen?“ Der Inquisitor wischte seinen Dolch am Habit des toten Mönches ab und wandte sich zu seinem Begleiter. „Ja, Sire.“ Guido van Somm nickte und bekreuzigte sich während er zusah wie die Gens du Roi einen Klosterbruder nach dem anderen nieder metzelten und das Kloster in Brand steckten. „Nach Münster, ja. Ich habe sie belauscht als sie dachten, dass ich schlafe.“ „Ihr werdet sie in die deutschen Landen verfolgen“, sprach Gui und saß auf. „Von Juffingen sucht die Liste der Großmeister. Wenn er sie gefunden hat, tötet ihr ihn und bringt mir dieses Pergament. Dann und nur dann, mein lieber van Somm, werde ich dafür sorgen, dass niemand von eurer Vergangenheit erfährt und ihr ungeschoren aus dieser Sache heraus kommt. DeGardez“ brüllte der Inquisitor nach dem Anführer der Gens du Rois. „Nehmen sie zehn ihrer besten Männer und begleiten sie van Somm. Der Rest ihrer Leute eskortiert mich zurück nach Troyens.“ „Oui, mon Excellence.“
In den deutschen Landen
Nachdem Franz und seine Begleiter die Nacht in einem Wald bei Mandres-en-Barrois verbracht hatten, erreichten sie die Grenze nach Lothringen und somit zu den deutschen Landen, am Mittag des nächsten Tages. Die Maas-Brücke bei Vaucouleurs war abgeriegelt. Aus der Deckung eines kleinen Wäldchens zählte Franz zweiundzwanzig Söldner mit blau-gelben Überwürfen. An der Westseite der Brücke, über die an dieser Stelle circa 20 Meter breiten Maas, wehten die Banner mit dem Wappen Philipps des Schönen. „Hier können wir nicht passieren, ohne Aufsehen zu erregen“, raunte Franz. Die Ordensbrüder hatten zwar ihre weißen Mäntel mit dem blutroten Kreuz gegen unauffälligere Überwürfe aus braunen Leinen getauscht, dennoch war ihre Zugehörigkeit zum Orden kaum zu verbergen. Ihr Aussehen, ihre Waffen, die Brandzeichen auf den Schlachtrössern... jedes Kind würde sie aus der Nähe sofort als Tempelritter identifizieren können. „Wir versuchen es weiter stromabwärts“, sprach Franz und bestieg sein Schlachtross. Im Schutz des Waldes erreichten sie, nach etwa einer Stunde, eine Stelle an der der Fluss eine Kehre machte. In der Mitte war eine Insel aus Kieselsteinen und das Wasser sah seicht aus. „Hier wird es gehen.“, sprach Angus und lenkte sein Pferd Richtung Uferböschung. „Halt“ zischte Ammar. „Dort drüben bewegt sich was.“ Leise glitten Angus und Franz von ihren Pferden und schlichen in die Richtung, aus der sie nun auch Stimmen hörten. Auf einer Lichtung, keine zehn Meter vom Waldrand entfernt, saßen zwei franzische Soldaten an einem Lagerfeuer und stritten sich um die Keule eines Fasans, dessen gerupfte Überreste sich goldbraun auf einem Spieß über dem Feuer drehten. „Gott zum Gruße“, Angus war auf die Lichtung getreten. Sein gezücktes Schwert verbarg er hinter dem Rücken. „Vielleicht kann ich euren Streit beilegen, indem ihr MIR dieses Stück des wohlriechenden Fleisches überlasst?“ Völlig verdutzt griffen die Männer zu ihren Waffen und sprangen auf. Doch es war zu spät. Angus schwang sein ein Meter langes, sechs Pfund schweres Schwert mit solcher Wucht gegen seinen Gegner, dass dieses mühelos das dünne Kettenhemd und den darunterliegenden Hals, samt Wirbelsäule durchtrennte. Der Kopf rollte über den Waldboden und wurde durch den leblosen Körper des anderen Soldaten gestoppt, in dessen Schädel, direkt neben dem metallenem Nasenschutz des Helms, der Bolzen aus Franz´ Armbrust steckte. „Sie sind zu dritt.“ Angus wies auf die drei Holzbecher, die neben dem Lagerfeuer standen, während Franz den Bolzen aus dem Kopf des Söldners zog. Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, brach ein weiterer Soldat aus einem Gebüsch und bestieg hastig eines der Pferde, die am Rande der Lichtung festgebunden waren. Der Franzmann griff sich eine Lanze und preschte Richtung Waldweg auf der anderen Seite der Lichtung, nach Westen. „Ammar“ schrie Franz, „er darf nicht entkommen.“ Der Syrer sprang auf sein Pferd und stieß die Hacken seiner Stiefel in die Flanken seines Vollbluts. Nach einigen Minuten merkte der Söldner Philipps, dass sein Schlachtross dem Tempo des Araberhengstes unterlegen war. Hinter einer Kurve riss er an den Zügeln, wendete sein Pferd und ritt seinem Verfolger, mit zum Stoß bereiter Lanze, entgegen. Ammar konnte gerade im rechten Moment seinen Schild von der Befestigung am Sattel reißen und so den tödlichen Stoß abwehren. Der Aufprall war jedoch so heftig, dass er aus dem Sattel gehoben wurde und krachend auf dem Waldboden landete. „Jetzt, du heidnischer Bastard, fährst du in die Hölle“, schrie der franzische Söldner, wendete sein Pferd und preschte erneut auf den sich aufrappelnden Syrer zu. Ammar wehrte mit dem linken Arm die Lanze ab und brachte mit einem gezielten Streich seines Schwertes das Pferd zum Fallen. Das Ross überschlug sich und begrub den Söldner unter sich. Ammar schritt heran und erlöste das Pferd. Dann beugte er sich über den eingeklemmten Soldaten, bekreuzigte sich und sagte: „Ich bin kein Heide.“ Ohne weitere Worte schnitt er dem, vor Schmerz wimmernden, Soldaten die Kehle durch.
Münster
Am zwölften Tag nach ihrer Flucht aus Troyens, erreichten die Brüder, ohne weitere größeren Zwischenfälle, das Erzbistum Münster. In Nanzig waren sie auf den flachkieligen Lastensegler eines Weinhändlers aus Blamont gestiegen, der seine Ware die Mosel runter, über Trier nach Koblenz verschiffte. Im dem mit Philipp sympathisierenden Herzogtum Luxemburg, konnte der Hauptmann einer Zollstation mit einigen Silberstücken überzeugt werden, den Segler unbehelligt weiter ziehen zu lassen. Die Nächte verbrachten sie meistens in einer der zahlreichen Treidelstationen, in denen die Fuhrleute samt ihrer Pferde, Quartier fanden, die die schweren Lastkähne mit Seilen den Fluss aufwärts zogen. In Koblenz überredeten sie den Kapitän eines Frachtseglers aus Mainz, der große Rollen grober Baumwollleinen geladen hatte, sie weiter den Rhein runter zu bringen. Nachdem die Ordensbrüder in Duisburg das Schiff verlassen hatten, war es nur noch ein strammer Tagesritt, bis sie das mächtige Westwerk des Doms zu Münster, mit seinen romanischen Zwillingstürmen, hinter den fast zehn Meter hohen Stadtmauern, erkennen konnten. Es war schon dunkel, als sie über die Brücke des vorgelagerten Grabens ritten und am westlichen Stadttor von den Wachen durchgewunken wurden, nachdem sie ihre Zugehörigkeit zum Orden der Templer nachgewiesen hatten. Der Bischof im Erzbistum Münster, Konrad I. von Berg war ein ausgesprochener Freund des Tempelordens. In der Pfarrschänke an der St. Aegidii-Kirche erhielten sie Unterschlupf für die Nacht.
„Morgen werde ich im Scriptorium des Domes nach weiteren Hinweisen suchen.“ Franz hielt inne. Der dicke und kaum einmeterfünfzig große Wirt der Pfarrschänke war mit einem großen Tablett an den Tisch, in die hintere Nische des Schankraumes getreten. „Die Brüder des Ordens der Templer sind mir immer willkommen.“ Mit breitem Grinsen stellte er die üppige Mahlzeit, bestehend aus frischem Brot, Ziegenkäse, einer gebratenen Gans und einem großen Krug Wein, auf die groben Bretter des Tisches. „In meinem Haus verkehren die Erbmänner von Münster und sogar der edle Herr Droste zu Hülshoff labt sich gelegentlich an meinem exzellenten Wein.“ „Wir wissen Eure Gastfreundschaft zu schätzen und sind euch zu Dank verpflichtet“, antwortete Franz. „Aber nun lasst uns alleine. Wir wollen nun Beten und werden dich rufen, wenn es uns nachher noch an etwas fehlt.“ Rückwärtsgehend, sich unterwürfig verbeugend, verließ der Wirt die Nische. Nachdem die Brüder schweigend gespeist hatten fuhr Franz fort: „Der Meister sprach von einem Geheimfach im Scriptorium. Ich bin sicher, dass unsere Reise hier noch nicht zu Ende ist. Die geheime Liste der Templer wird in der Heimat unseres Meisters versteckt sein.“ „Was tun WIR in der Zwischenzeit?“ fragte Ammar. „Ihr haltet in der Stadt die Augen offen. Wenn Guido uns an Philipp verraten hat, werden sie uns hier in Münster suchen.“ „Du meinst der Hund hat uns im Kloster belauscht?“ fragte Angus und griff ein weiteres Mal zur Gans, die noch nicht völlig verspeist war. „Ja, das ist möglich“, antwortete Franz. „Er hat mir mein Ross gestohlen“, grunzte Angus. “Wenn wir auf ihn treffen, dann gehört er mir.“ „Nicht so schnell, mein barbarischer Freund“, sprach Ammar und strich sich grinsend über die noch immer gut ausgeprägte Beule an der Stirn. „Ich hab auch noch eine Rechnung mit dem Bastard zu begleichen.“
Bruder Primus, der verkrüppelte Kantor des Scriptoriums, das sich seit Fertigstellung des neuen St. Paulus Doms, anno 1264, in den Gewölben des alten Ludgerus-Dom befand, war ein ehemaliger Angehöriger des Deutschritter-Ordens. Nachdem er sein rechtes Bein im Outremer zurück lassen musste, wo er, wie sich herausstellte, zur gleichen Zeit wie Franz diente, ging er zurück in seine Heimat nach Münster und wurde Bibliothekar. „Natürlich kannte ich euren Meister Herrn von Weydengrundt-Cramm. Der Herr im Himmel sei seiner Seele gnädig. Wir haben so einige Stunden zusammen gesessen und über das heilige Land und den Sinn der Kreuzzüge philosophiert“ Der Bruder stand auf, klemmte sich seine Krücke unter den Arm und stieg vorsichtig die ausgewaschenen Stufen zum Gewölbe hinunter. „Er studierte die meiste Zeit in einem Buch mit dem Titel „Nur die sieben Häufigsten“. Es befindet sich im hinteren Teil des Scriptoriums. Folgt mir, ich weise euch den Weg.“
Nachdem Franz das Buch gefunden hatte und es, ohne weitere Hinweise zu finden, eingehend studiert hatte, fand er am dritten Tag das Geheimfach. In einer kleinen Nische im hintersten Teil der Bibliothek blieb er, beim Entzünden einer Kerze, mit dem Ärmel seines Umhangs am verschnörkelten Wandhalter hängen. Der gab nach und das an der gegenüberliegenden Seite stehende Armarium schwang zur Seite. Franz schob den in die Wand eingelassenen kleinen Bücherschrank ganz zur Seite und entdeckte in dem dahinter liegenden Fach ein staubiges Buch. Im Schein der Kerzen blätterte er durch die alten, vergilbten Seiten. Freudig erregt erkannte er, dass er das letzte Teil des Rätsels gelöst hatte.

„Franz, Fraaanz“, Angus` raue Bariton-Stimme halte durch die Gewölbe. „Hast du gefunden was du suchtest? Wir müssen verschwinden.“ Franz verstaute das Buch unter seinem Überwurf und ging dem Schotten entgegen. „Der Wirt der Pfarrschänke…“ fuhr Angus fort, „…hat von einem Fremden berichtet, der durch die Gasthäuser zieht und hinter vorgehaltener Hand nach zwei Templern und einem Araber fragt. Unser Wirt schwört zwar, dass er uns nicht verraten hat, aber wir sollten das Glück nicht herausfordern. Ammar hat die Pferde bereit.“ „Hier ist alles getan“ antwortete Franz. „Wir reiten nach Bremen.“
Die Burg in Baden
In Greven überquerten sie die Ems. Osnabrück passierten sie südlich, um die Grafschaft Tecklenburg zu meiden, deren Fürst König Philipp nahe stand. Nachdem sie das Bistum Minden und die Grafschaften Diepholz und Bruchhausen durchquert hatten, erreichten sie am Abend des dritten Tages das Anwesen derer von Weydengrundt-Cramm. Die weiß-getünchte Burg, mit seinen sechseckigen Wehrtürmen, lag in der Nähe von Baden, einem kleinen Dorf direkt am Hauptverkehrsweg zwischen der Stadt Bremen und Verden. Das Banner mit dem Familienwappen wehte hoch über der Burg im eisigen Wind des Novembers und war schon von weitem zu erkennen. Die Zugbrücke über den Graben, vor den starken Mauern der Burg, war hochgezogen. Auf dem Turm neben dem Haupttor stand ein Soldat, die Armbrust schussbereit. „Wir sind Freunde Arnos von Weydengrundt-Cramm, Komtur der Armen Ritter Christi in Troyens“ rief Franz der Wache zu, dessen Überwurf mit einem blauen Pferd verziert war. „Wir kommen in Frieden. Gewährt uns Einlass.“
„Nun hat sich also meine Befürchtung bewahrheitet“ sprach Reinhold Freiherr von Weydengrundt-Cramm, der seinem jüngeren Bruder Arno wie aus dem Gesicht geschnitten war. Nachdenklich betrachtete er den Siegelring seines Bruders, den Franz ihm überreicht hatte. „Händler aus dem Westen berichteten uns unlängst von den Verhaftungen der Tempelbrüder in Franzien.“ Der Burgherr hatte Franz, Angus und Ammar in den großen Rittersaal gebeten, dessen Wände mit kostbaren Teppichen und Jagdtrophäen verziert waren. An der Decke hing ein riesiger Kronleuchter aus Eisen, dessen Kerzen und der Kamin, an dem sie nun saßen, tauchten den Raum in ein wohliges Licht. „Als Komtur ist er gestorben“, fuhr der Reinhold fort. „Unser Vater wusste immer, dass Arno zu Höherem berufen war. Seit mein Bruder, als Zweitgeborener, schon als Kind ins Kloster nach Bremen kam, kreuzten sich unsere Wege nur noch selten. Zuletzt sah ich ihn vor drei Jahren, als wir unseren Vater beerdigten. Gott sei ihrer beider Seelen gnädig.“ „Euer Bruder war ein gütiger Mensch“, entgegnete Franz. „Er war mehr Freund denn Vorgesetzter. Mehr als einmal rettete er unser aller Leben. Und deswegen will ich seinen letzten Willen erfüllen. Ich werde die geheime Liste der Templer finden und behüten.“ „Oh, da braucht ihr nicht weiter zu suchen“, antwortete Reinhold, stand auf und ging zur Wand gegenüber des Kamins. Er schob einen Wandteppich zur Seite und öffnete ein in die Mauer eingelassenes Fach. „Diesen seltsamen Behälter übergab mir mein Bruder bei unserer letzten Zusammenkunft mit der Bitte, ihn so lange aufzubewahren, bis ein Mann, der seinen Siegelring präsentieren kann, danach sucht. Ich schätze, das seid wohl ihr.“ Reinhold von Weydengrundt-Cramm grinste über beide Ohren, als er Franz den etwa fünfzehn Zentimeter langen Zylinder überreichte. Ehrfürchtig öffnete Franz den Behälter aus einem ihm unbekannten Material. „Die geheime Liste der Tempelritter.“ Franz kniete nieder und bekreuzigte sich.
Angus` Rache
Am nächsten Morgen wurden sie durch das Scheppern der Alarmglocke im Hof unsanft aus dem Schlaf gerissen. Vor den Mauern der Burg stand eine Armee von etwa vierzig Rittern zu Pferd, dazu noch circa hundert Mann Fußvolk, die mit Lanzen, Äxten, Schwertern oder Mistforken bewaffnet waren. Dazu noch 10 Soldaten der Geheimpolizei Philipps von Franzien. „Reinhold von Weydengrundt-Cramm“, schrie ein, mit grünem Umhang gekleideter Ritter, dessen Wappen zwei gekreuzte Pferdeköpfe über einer Brücke zeigte. „Ihr beherbergt zwei Ritter des Templerordens und einen Heiden. Diese Männer haben sich des Mordes an Christen schuldig gemacht. Ich verlange ihre Auslieferung, um sie ihrer gerechten Strafe zuzuführen.“ „Das ist der Vogt der Burg Langwedel“, sprach Reinhold, der mit Franz auf dem Wehrturm, neben der Zugbrücke stand. “Mit ihm liege ich schon lange im Clinch. Er gewährt dem in Bremen geächteten Gottschalk Frese Asyl. Dieser hatte seinerzeit durch den Mord an Ratsmitglied Arnd von Gropelinghe die Stadt und das Umland in Aufruhr versetzt. Bremen hat sich davon bis heute nicht erholt.“ „Was ist mit dem Bischof?“ fragte Franz. „Bernhard III. von Wölpe hat schon lange keine Amtsgewalt mehr. Die Söhne der Ratsfamilien stellen die Mehrheit der Geistlichkeit in den Kirchen und Stiften der Stadt und Pabst Clemens hat unseren Bernhard nie anerkannt. Von dieser Seite brauchen wir auf keine Hilfe zu hoffen. Ihr seid nur der Vorwand mich anzugreifen. Die beiden Männer neben dem Vogt ihm kenne ich nicht.“ „Das ist Guido van Somm“, antwortete Franz. „Ein ehemaliger Bruder des Ordens. Er hat uns an Philipp verraten. Der Mann mit dem braunen Lederrock ist ein Hauptmann der Gens du Roi.“ „Ihr müsst fliehen und die Liste in Sicherheit bringen“, sprach der Freiherr. Es gibt einen Geheimgang im Gewölbe unter dem Haupthaus. Der Gang führt euch hinter die Linien des Feindes. Begebt euch nach Bremen. Von dort könnt ihr per Schiff die Weser herunter fliehen.“ Franz` Einwand wurde durch das laute Rasseln der Ketten unterbrochen als plötzlich die Zugbrücke herunter gelassen wurde. Ein schriller Pfiff ertönte und sofort setzte sich der schwarze Courser von Angus Brychan MacLachlainn Richtung Zugbrücke in Bewegung. Der völlig verdutzte Guido van Somm riss an den Zügeln, doch das Schlachtross ließ sich davon nicht beindrucken. Es lief in gestrecktem Galopp über die Zugbrücke in den Hof der Burg wo Angus mit gezogenem Schwert bereit stand. Die Männer des Freiherrn zogen die Brücke wieder hoch, während ein zweiter Pfiff das Pferd des Schotten unvermittelt zum stehen brachte. Guido, der sein Schwert gezogen hatte, wurde über den Kopf des Pferdes abgeworfen und fiel auf den hartgefrorenen Boden des Burghofes. Angus wartete bis sich der Holländer aufgerappelt hatte. Den ersten Schlag des hünenhaften Schotten konnte Guido noch parieren. Der zweite Schlag trennte ihm den Arm, mit dem er das Schwert führte, unterhalb der Schulter ab. Das Letzte, was die schreckgeweiteten Augen Guido van Somms sahen, war der dritte Hieb, der ihm den Schädel spaltete. „Für deinen Verrat und dafür dass du mein Ross gestohlen hast“, sprach Angus, bekreuzigte sich und tätschelte die Ohren seines treuen Pferdes.
Schottland
„War das wirklich notwendig?“ fragte Franz wütend den vor ihm durch den Geheimgang stolpernden Schotten. „Ja“, antwortete Angus und fluchte, weil er sich zum wiederholten Male den Kopf in dem engen und dunklen Gang gestoßen hatte. Anfangs, als sie durch die Luke im Gewölbe stiegen, war der Gang breit und gut beleuchtet. Nun war es eng, auf dem Boden stand Wasser und die Männer stießen immer wieder gegen Decke und Wände oder blieben mit ihren Mänteln und Umhängetaschen an den rauen Steinwänden hängen. Als sie durch das, mit Brettern abgedeckte, Loch ins Tageslicht traten, vernahmen sie den Lärm der Schlacht um die Burg der Weydengrundt-Cramms. Der Vogt hatte eine Bilge aufgefahren und katapultierte brennende Geschosse in die Burg. Reinhold würde die Festung weiter verteidigen um so den Tempelrittern einen genügend großen Vorsprung zu verschaffen. Dann würde auch er mit seinen Leuten durch den Geheimgang nach Bremen fliehen.
In Bremen bezahlten sie drei Silberstücke an den Kapitän einer Handelskogge, die nach Brügge segelte. „In meiner Heimat sind wir sicher“, sprach Angus als sie an Bord der Kogge des Brügger Händlers, die englische Küste erspähten. Trotz des steifen Novemberwindes, der das bauchige Segelschiff gut vorankommen ließ, standen die Freunde an Deck. „Du wirst sehen, es gibt keinen schöneren Ort auf der Welt, um alt zu werden, als Loch Fyne im Argyll“, schwärmte Angus und zog seinen Mantel etwas höher. „Wie es aussieht, ist es dort wohl kaum so warm wie in Syrien“, sagte Ammar und lachte. Franz´ Lachen verstummte abrupt. Ungläubig betrachtete er seine Umhängetasche aus Leinen, die am Boden aufgerissen war. Der Behälter mit der geheimen Liste der Templer war verschwunden.
Diejenigen unter euch, die zu den "Wissenden" zählen, dürfen dieses Banner zu ihrer Chronik fügen.

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