Noch heute treten an vielen Orten, wo kalkreiches Quellwasser zu Tage tritt, bizarre Formen und Gebilde aus Kalktuff auf. Kalktuff - auch als Süßwasserkalk oder Quellkalk bezeichnet - wird vereinfacht auch einfach nur Tuff oder Tuffstein genannt und ist nicht zu verwechseln mit dem vulkanisch entstandenem pyroklastischen Tuff. Der Kalktuff ist in der Regel ein lockerer, teilweise unverfestigter Kalkstein, welcher als Kalkabsatz an Quellaustritten oder deren Nähe entsteht, die nichtthermalen Ursprungs sind.
Ursache der Entstehung des Kalktuffs ist der Verlust des vorher an den Kalkstein gebundenen Kohlendioxids, wobei dieser Verlust durch Erwärmung des Quellwassers entsteht und dabei CO2 freigesetzt wird.
Die Ablagerung von Kalk (CaCO3) als Kalktuff entsteht vornehmlich hinter kalten Schichtquellen im Karst. Solche Ablagerungen gibt es in einigen Karstgebieten der humiden, gemäßigten Warmklimazone seit der letzten Warmzeit (Würmeiszeit) und auch gegenwärtig noch. Ob es zu Ausfällung von Kalk aus Karstwasser kommen kann und in welchen Mengen, hängt allgemein von den klimatischen und geologischen Bedingungen ab, vor allem aber von weiteren physikalischen und chemischen Bedingungen, die regional oder lokal vorliegen müssen. Die günstigsten klimatischen Bedingungen bestanden während der rund zweitausend Jahre des postglaziären Atlantikums. In dieser Zeit (ca. 8000-6000) lagen die durchschnittlichen Temperaturen in Mitteleuropa ca. 2 °C höher als heute, und es war niederschlagsreicher.
Liegen die allgemeinen Voraussetzungen vor, gehören zu den notwendigen Bedingungen für das Ausfällen noch die folgenden Faktoren:
- eine relativ geringe Schüttung der jeweiligen Quelle,
- eine relativ große Verdunstungsoberfläche,
- ein günstiger Korridor der Wassertemperaturen,
- eine Veränderung der Druckverhältnisse und
- bestimmte Ionenkonzentrationen.
Wenn Karstwasser über Moosteppiche (vornehmlich Laubmoose), Algenteppiche oder Kolonien von Cyanobakterien fließt, kann eine größere Kalkmenge ausfällen, indem die Biosubstanzen für ihre Assimilation (Photosynthese) den Kohlendioxid-Bedarf aus dem Karstwasser beziehen.
Das Quellwasser in Hunnesrück stammt aus einer Quelle, die dem westlich von Hunnesrück gelegenen Höhenzug "Amtsberg" entspringt und ist dem geologischen Aufbau des Amtsberges entsprechend sehr kalkhaltig.
Der Amtsberg ist eine Schichtrippe und besteht aus Gesteinsschichten des Oberen Muschelkalks.
Kalkstein ist ein dichtes bis grobkörniges Gestein, welches ganz überwiegend aus dem Stoff Calciumcarbonat (CaCO3) besteht. Die Kalksteine des Muschelkalks in Mitteleuropa entstanden in flachen Meeresbecken im Erdzeitalter des Trias. Allerdings enthalten diese Gesteine nicht nur Muscheln, sondern auch Armfüßer (Brachiopoda). In manchen Lagen sind sie sogar häufiger als die namensgebenden Muscheln. Sehr häufig sind in manchen Teilen des Muschelkalks auch Reste von Stachelhäutern, die sogar einzelnen Unterabteilungen des Muschelkalks ihren Namen gaben („Trochitenkalk“ bzw. heute Trochitenkalk-Formation, nach den Trochiten = Stielglieder von Seelilien). Die Ablagerung der Sedimente des Muschelkalks fand vor etwa 243 bis 235 Millionen Jahren statt. Dies entspricht den internationalen Stufen Anis und dem Unteren Ladin der Mittleren Trias. Die Gesteine des Muschelkalks sind in der Regel durch hellgraue bis beige Farbtöne charakterisiert. Die Gesteine des Oberen Muschelkalk enthalten eine arten- und individuenreiche Fauna, die auf vollmarine Bedingungen zur Zeit der Entstehung schließen lassen.
Sie wurden dann durch tektonische Prozesse über den Meeresspiegel gehoben und bilden heute die Hügel und Bergkämme der Region (wie hier bei einem Spaziergang über den Amtsberg an vielen Stellen gut zu sehen).
Entsprechend kalkreich ist auch das Wasser, welches oben aus dem Kalktuffstein auf dem Gelände des Hengstaufzuchtgetütes Hunnesrück herausläuft bzw. -sprudelt. Das Wasser läuft mal mehr, mal weniger, zeitweise tröpfelt es nur ein wenig, wenn die Quelle nicht sehr ergiebig ist und größere Mengen Wasser für die Tränkung der Pferde sowie als Brauchwasser für landwirtschaftliche Zwecke abgeleitet werden.
Das Spritzwasser erwärmt sich beim Austritt und verdunstet ein wenig. Dabei scheidet sich der gelöste Kalk ab. Feuchtigkeit liebende Moose und Flechten, die sich im Spritzwasser an dem bereits vorhandenen Gestein angesiedelt haben, beschleunigen diesen Vorgang der Kalkabscheidung in erheblichem Maße, weil sie mit ihren Stielen und Blättchen die Verdunstung des Wassers noch erhöhen. Dabei werden sie selbst vom Kalk umkrustet. Der ausgefällte Kalk legt sich als feinkristalline Kruste um alles relativ ruhende Kleinmaterial (Moose, Algenschleim, Bakterienkolonien, etc.). Hier am "Hinkelstein" in Hunnesrück ist hauptsächlich das Moos betroffen, es stirbt ab und wird vom Kalk versteinert. Eine neue Moosschicht wächst über dem alten versteinerten Moos und so geht das Jahr um Jahr weiter. Das entstehende Gestein nennt man Kalktuff.
Durch diesen Vorgang der Ablagerungen durch das besonders kalkhaltige Quellwasser ist hier in den letzten 100 Jahren dieser "Hinkelstein" aus Kalktuff zu seiner imposanten Höhe und Breite gewachsen.
Es handelt sich nicht um einen von Menschenhand aufgestellten Stein mit Bohrung, durch den das Wasser austritt.
Hier wurde vor ca. 100 Jahren neben der heute noch erhaltenen alten Pferdetränke (ca. 20 m westlich dieses Kalktuffsteines) ein ähnlich eines Brunnens eingefasster Überlauf für das überschüssige Wasser aus den Amtsbergen geschaffen, dass auf dem Pferdegestüt nicht benötigt wurde. Die Bildung des Kalktuffs und das daraus resultierende Wachstums des Kalktuff-"Hinkelsteins" ist also ein nicht beabsichtigtes Zufallsprodukt, zeigt uns hier aber die meist im Verborgenen ablaufenden geologischen Vorgänge der Bildung des Kalktuffs in allen Stufen sehr anschaulich und zum Anfassen (Anfassen ist ausdrücklich erlaubt - Zerstören und Entnehmen ist verboten) und macht deutlich, wie kalkhaltig das aus den Amtsbergen zu Tal fließende Wasser sein muss.
Auf einem historischen Foto um 1920/1930 ist lediglich eine beginnende Kalktuffbildung am Auslauf von einigen Zentimetern zu sehen (Vielen Dank an Neptun73 für das Foto). In den folgenden fast 100 Jahren ist dieser Kalktuffstein Jahr um Jahr um mehrere Zentimeter insbesondere in die Höhe aber auch in die Breite gewachsen. Über die Jahre bekommt der Stein immer wieder ein anderes Aussehen, wächst in die Höhe, vergrößert seinen Umfang, die Stellen mit frisch wachsendem Moos und frisch gebildetem Kalktuff wechseln und ändern sich stetig rings um den gesamten Stein. Dem geologisch interessierte Cache präsentiert sich der Kalktuffstein jedes Jahr in einem neuen Erscheinungsbild und vor allem größer - immer abhängig von der aktuellen Bildung des Kalktuffs.
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