Eine Hasengeschichte
"Der Hasen und der Löffel drei, und doch hat jeder Hase zwei"
Das Drei-Hasen-Fenster im spätgotischen Kreuzgang des Paderborner Doms gehört nicht nur zu den sehenswerten Wahrzeichen der Stadt, sondern ist gleichzeitig auch die bekannteste Drei-Hasen-Darstelllung deutschlandweit.
Der Hase ist ein beliebtes Motiv sowohl in der christlichen als auch in der profanen Kunst. Häufig ist er zum Beispiel auf Gemälden oder anderen Kunstwerken zu finden, wobei er eine vielfältige Symbolik aufweist. In der nicht-sakralen Kunst sieht man den Hasen vor allem auf Abbildungen von Jagdszenen, die ihn als Beutetier darstellen. Oft findet man ihn auch auf Darstellungen von Frühlings- oder Herbstszenen, wo der herumspringende Hase Fröhlichkeit ausdrücken soll. Aufgrund seines ausgeprägten Fortpflanzungstriebs wird der Hase zumeist auch als Symbol für Fruchtbarkeit und körperliche Liebe gedeutet.
In der christlichen Kunst ist das Motiv des Hasen ebenfalls häufig zu finden, besonders auf Werken aus der Zeit des Mittelalters, wo der Hase auch wieder für Fruchtbarkeit oder Fröhlichkeit steht. Obwohl der Hase in der Bibel als unreines Tier aufgelistet wird, welches von den Israeliten nicht gegessen werden darf, wird er trotzdem häufig auch als Symbol für die Auferstehung Christi gedeutet, was wiederum die Symbolik des Osterhasen erklären würde. Desweiteren wird der Hase vielen Heiligen zugesprochen, darunter auch dem hl. Martin.
Besonders häufig sind Hasen in einer Dreiergruppe zu finden. Sie fehlen auf kaum einem Schöpfungsbild und werden dadurch zu einem Zeichen für die Trinität, sprich der Dreieinigkeit Gottes. Die Anordnung von drei Hasen im Kreis wie beim berühmten Paderborner Fenster, stellt dabei einen Sonderfall dieser Dreiergruppierung dar. Beim Betrachten des Fensters soll nämlich nicht das Tier als solches im Mittelpunkt stehen, sondern insbesondere dessen Ohren, beziehungsweise Löffel: Jeder Hase hat zwei Ohren, und doch sind es insgesamt nur drei. Durch diese Verbindung entsteht ein Kreis.
Dieses Drei-Hasen-Motiv kann man nicht nur in Deutschland antreffen, sondern an verschiedensten Stellen der Erde und in vielfältigen Kulturen. Zu sehen ist es zum Beispiel im Wappen der Gemeinde Hasloch, im Kloster Hardehausen im Eggegebirge unweit von Paderborn oder im Dom zu Münster unter dem Gewölbe des Johannis-Chores von 1250. Auch in anderen Ländern Europas sind die Hasen auffindbar, beispielsweise in der Schweiz als Malerei von 1529 an der Lauener Kirche bei Gstaad, im Kloster Muotathal bei Schwyz und als Teil eines schmiedeeisernen Gitters im Dorfmuseum Riehen zwischen Basel und Lörrach. In Frankreich findet man die Hasen im spätgotischen Palais des Maison du Cardinal Jouffroy in Luxeuil-les-Bains und im Hof der Kirche St. Peter und Paul im elsässischen Wissembourg. In England sieht man das Motiv der drei im Kreis springenden Hasen in unzähligen Kirchen, wie zum Beispiel der Long Melford Holy Trinity Church in der Grafschaft Suffolk. Aber auch außerhalb Europas ist das Symbol anzutreffen, besonders in Asien. Das Drei-Hasen-Motiv kann man von Ägypten bis China in ganz Asien finden. Vermutlich wurde es von China entlang der Seidenstraße in den Westen gebracht.
Die ursprüngliche Bedeutung des Drei-Hasen-Motivs ist unklar, aber über die Jahrhunderte sind verschiedenste mögliche Deutungen entstanden. Zum einen kann das Motiv als Lichtsymbol verstanden werden, wobei der Kreis, aufgrund der Nachtaktivität der Tiere, den Mond repräsentiert. Eine neuere Interpretation sieht das Drei-Hasen-Motiv als Symbol für die Dreieinigkeit Gottes, jedoch ist das eine Bedeutung, die wohl nicht der ursprünglichen Symbolik entspricht. Es wird vermutet, dass das Drei-Hasen-Motiv als ein Archetypus zu sehen ist, der in allen Kulturen die gleiche Bedeutung hat. Welche das jedoch genau ist, ist unklar.