ALMA MATER
Als 1944 die Rote Armee die baltischen Länder Lettland, Litauen und Estland besetzte, floh insbesondere ein großer Teil der Intelligenzia dieser Länder, aber auch sehr viele ihrer jungen Leute in Richtung Westen - verstärkt auch nach Lübeck, Hamburg und andere norddeutsche Städte.
Ihrem nach Ende des Krieges Mitte 1945 aufkommenden Bestreben, die akademische Lehr- und Studientätigkeit wieder aufzunehmen, standen strikte Beschränkungen seitens der Britischen Verwaltung entgegen, wonach nur 10 % der Plätze an deutschen Universitäten für Ausländer zugängig sein durften. Als Ausweg aus diesem Dilemma bereiteten Hochschullehrer aus allen drei Baltischen Staaten Ende '45 die Gründung der "Baltischen Universität" in den Räumen des "Deutschen Rings" in Hamburg vor, die dann am 9. Januar 1946 proklamiert wurde. Vor Aufnahme des Studienbetriebs stand aber schon im März '46 ein Umzug der Universität in das Gebäude des "Museums für Hamburgische Geschichte" an. Hier hatten die Studenten trotz allen Mangels und der Beschwernisse der Nachkriegszeit ein breites Spektrum unterschiedlichster Studiengänge zur Auswahl.
Nach zwei Semestern in den Museums-Räumlichkeiten stellte sich heraus, daß die Universität dort nicht bleiben konnte. Die Britische Verwaltung ließ als Reparationsleistungen produzierte Holzelemente über den Hamburger Hafen verschiffen und benötigte Wohnraum für die dazu eingesetzten Hafenarbeiter. Als Ausweichstandpunkt rückte zunächst ein ehemaliges Marine-Objekt in Eckernförde in den Blickpunkt, dann jedoch entschied man sich für die ehemalige Luftwaffenkaserne in Pinneberg, wo der Lehrbetrieb unter äußerst widrigen Bedingungen im Wintersemester '46/'47 fortgesetzt wurde.
Bald florierte der Lehrbetrieb an der Baltischen Universität in Pinneberg. Die Universitätsangehörigen waren gut in die Pinneberger Gesellschaft integriert und sorgten vor allem auch durch ihre Leistungen im Bereich des Sports für Begeisterung.
1949 sollte das letzte Jahr der Baltischen Universität in Pinneberg werden. Die Wirtschaft Großbritanniens litt zunehmend darunter, daß Kriegsflüchtlinge im eigenen Land in ihre Herkunftsländer Polen, Tschechien und anderen osteuropäischen Ländern zuückkehrten. Die Lücke, die sie an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen hinterließen, versuchte die Militärverwaltung mit Flüchtlingen aus der eigenen Besatzungszone zu schließen. Dementsprechend wurde Druck auf die Balten ausgeübt und die Schließung der Universität verfügt. Infolge Widerstands verzögerte sich die Schließung jedoch bis Ende September 1949.
In den 9 Semestern ihres Bestehens waren insgesamt 2006 Studenten an ihr immatrikuliert, von denen 1200 Letten, 545 Litauer und 260 Esten waren. 66 Prozent der Studenten waren männlich, 34 Prozent weiblich.
Empfangs-Bereich der Universität in den Räumen des Museums für Hamburgische Geschichte