Das schöne Armenhaus
Der massive Bevölkerungszuwachs des 19.Jahrhunderts führte zu einer dramatischen Wohnungsnot, und viele der ärmeren Einheimischen wurden aus ihren Wohnstätten verdrängt. Um der Menge der obdachlos Gewordenen Herr zu werden, wurde 1892-94 das St.Martins-Spital errichtet, nach Plänen von Carl Hocheder im spätbarocken Stil, einschließlich einer hauseigenen Kapelle. Die Öffentlichkeit war begeistert von diesem „fast mit allem Komfort eingerichteten und zugleich so praktisch ausgestatteten Armenhaus (…) München darf auf sein neues Armenhaus stolz sein, hat es doch den Beweis geliefert, dass es auf der Höhe der Gegenwart steht.“ (Münchner Neueste Nachrichten).
Für die Bewohner des Heims, die sog. „Pfründner“, ergab sich jedoch ein anderes Bild. Binnen kurzer Zeit mussten sich 700 Menschen, damit weit mehr als doppelt so viele wie geplant, in dem Haus zusammenquetschen, wobei jeweils 20 Personen in Räumen von 50 qm untergebracht waren. Zudem verlieh die Heimleitung durch die Nonnen der „Barmherzigen Schwestern“ dem Haus eher den Charakter einer Zuchtanstalt: Unerlaubter Ausgang oder das Fernbleiben von den Mahlzeiten waren strikt untersagt, und es gab sogar einen eigenen „Karzer“ zur Ahndung von Verstößen gegen die Hausordnung. Aufgrund von Mangelernährung – alltäglich gab es „aufg'schmalz'ne Wassersupp'n“ - kam es zu erhöhter Sterblichkeit der Bewohner.
Das heutige Seniorenheim St.Martin ist in modernen Bauten im rückwärtigen Teil des Geländes untergebracht. Die historischen Baulichkeiten werden durch eine Kita, die Volkshochschule sowie die Zentrale des städtischen „Münchenstifts“ genutzt. Für die nächsten Jahre ist eine Generalsanierung geplant, die zwischenzeitlich eine komplette Räumung des Gebäudes nötig machen wird.
The beautiful poorhouse
The St.Martins-Spital was erected 1892-94 as an asylum for poor citizens who had been made homeless by the massive population growth and housing shortage of the 19. century. In contrast to its delicate appearance from outside (designed by Carl Hocheder in baroque style, including an own chapel), the conditions for the inhabitants were extremely harsh, due to heavy owercrowding, strict regime and malnutrition, and there was even an own dungeon for punishing misconduct. The present retirement home is located in modern buildings in the rear of the compound, whereas the historical wing serves for administrative purposes, adult evening classes and a kindergarten.