Das Erbe der Familie Gurtner
Die kantonale Denkmalpflege präsentiert das Könizer Gurtendorf als Vorbild: Die alten Bauernhäuser bleiben authentisch, die Besitzer leben dennoch zeitgemäss. Dies zeigte eine von drei Sommerführungen.
Es gibt Männer, die werden euphorisch beim Anblick von alten Balken, von Vollwalmdächern und Holzfassaden, die von der Sonne schwarz gebrannt wurden. Heinrich Christoph Affolter gehört zweifellos dazu. Er erforscht die Geschichte von alten Bauernhäusern und hätte wohl stundenlang erzählen können, als er am Dienstagabend mehr als 50 Interessierte durch das Gurtendorf führte. Die kantonalbernische Denkmalpflege widmet sich dieses Jahr mit drei Sommerführungen dem Leben in alten Bauernhäusern.
Heimatfilm mit Traktor
Das Gurtendorf liegt nur wenige Kilometer weg von der Stadt und doch in einer anderen Welt. Dunkle Holzfassaden prägen den Weiler und Dächer, die weit nach unten ragen. Das Bild hat Charme: Vier Bauernhäuser, vier Speicher, fünf Stöckli, Aussicht auf das Belpmoos, dazu Kuhglocken und das Gezirpe von Grillen – man könnte sich fühlen wie in einem Heimatfilm, würde nicht hin und wieder ein Traktor vorbeiknattern.
400 Jahre überdauert
Im Zentrum des Gurtendorfes steht ein Prachtstück eines Bauernhauses, «zu dem wir Sorge tragen müssen», wie Heinrich Christoph Affolter fordert. «Es sind nur wenige Bauernhäuser erhalten, die so alt und so gross sind.» 415 Jahre hat es miterlebt. Damals – 1598 – wurde es in Dimensionen gebaut, die den Forscher zum Staunen bringen: 32,5 Meter lang, 12 Meter breit und 12 Meter hoch, Wohnung und Stall unter einem Dach.
«Der Besitzer muss extrem wohlhabend gewesen sein», sagt Bauernhausforscher Affolter. Die Gurtendörfler – bis um 1740 hiessen alle Bauern Gurtner – hatten viel Land und verkauften ihre Produkte wohl auf dem Berner Markt. So hätten sie Reichtum angehäuft.
Aussen alt, innen erneuert
Äusserlich sieht das Haus noch fast so aus, wie es vor 400 Jahren gebaut wurde. Tatsächlich aber hatten die Besitzer hier und da saniert und umgestaltet. Nicht grossflächig, nur wo nötig. So haben markante Teile die 400 Jahre überdauert, etwa die tragenden Hochstüde (Holzpfosten) und Balken. Aussen ein authentisches Bild, innen ein Spagat zwischen Heimatfilm und heute.
Nicht «übernutzen»
Im Wohnteil des Hauses wurde in den letzten Jahren gebaut. Ein Projekt, auf das Denkmalpflege und Architekt Philippe Urech stolz sind. Man sehe an diesem Haus deutlich, wie sich historisch Wertvolles und zeitgemässes Wohnen verbinden liessen, sagte Rolf Weber von der Denkmalpflege. Die Gefahr sei, ein solches Gebäude zu «übernutzen», wenn man noch eine Küche, noch einen Balkon und noch ein Bad wolle. Das versuchte die Bauherrschaft zu vermeiden.
Die Räume sind dunkel
Sie wollten den Ausdruck der alten Räume beibehalten und haben moderne Elemente wie Radiatoren oder Lampen unauffällig ergänzt. Im oberen Stock, dort wo früher Magd und Knecht wohnten, musste mehr erneuert werden. Die Räume wurden erhöht und kommen modern daher. So haben vor allem die Zimmer im Parterre diese alte, warme Ausstrahlung behalten, sind allerdings dunkel.
Das Licht sei eine Herausforderung gewesen, sagt Architekt Urech. Dachfenster und andere Eingriffe in das grosse Ziegeldach waren tabu. Urech hat Tricks ausgepackt, um vor allem die Kinderzimmer im oberen Stock heller zu machen. Einzelne Glasziegel lassen die Sonne hinein, an einer Stelle wurde die Fassade durch Holzlamellen ersetzt. Aussen sieht man diese Eingriffe kaum, das Bild des alten Bauernhauses bleibt gewahrt. (Berner Zeitung, Erstellt: 20.06.2013, 07:22 Uhr)
Der Cache befindet sich an einem je nach Wetterlage gut frequentierten Zugang zum Naherhohlungsgebiet des Gurtens. Bitte sucht unauffällig. Ihr müsst kein Grundstück betreten!!!