Er erwachte mit einem dicken Kopf auf einer Bank im Park, als die Sonne schon hoch am Himmel stand. Immer noch besser als ein Sommerregen. Was war nur letzte Nacht passiert? Und was war das für eine verbrannte Spur da auf seinem rechten Arm? Der linke war dafür total zerkratzt. Er konnte sich noch daran erinnern, dass er nach Abschluss der Messe noch mit den Kollegen in eine Bar gegangen war und sie zusammen gewaltig einen draufgemacht hatten. Wenn sie schonmal hier in der Großstadt waren, musste man das doch nutzen. Aber irgendwann rissen seine Erinnerungen ab.
Von den Kollegen war weit und breit keiner zu sehen, wahrscheinlich war er wieder einmal einfach raus und losgelaufen, wie ihm das schon öfter passiert war, wenn er zu viel getrunken hatte. Nur diesmal war er wohl noch weiter weg als sonst. Seinen Rucksack hatte er offensichtlich aber mitgenommen, der lag neben ihm. Er überprüfte zuerst einmal, ob er noch alles darin war. Wo war seine Sonnenbrille? Sie ist weg! Nein, da war sie doch noch. Schnell zog er sie auf, irgendwie war er gerade böse lichtempfindlich. Es ist nicht immer Sonnenschein in dieser Stadt, aber wenn sie einmal schien, blendeten der hier reichlich verbaute weisse Granit und die vielen Glasfronten der Hochhäuser ziemlich. Sein veraltetes Klapphandy war auch noch in der Seitentasche, dafür interressierte sich heutzutage sowieso niemand mehr. Sogar sein Portmonaie war noch da. Er hatte wohl mal wieder mehr Glück als Verstand. Geld war allerdings keines mehr darin. Da lagen neben einem einsamen Kartoffelchip nur noch ein paar mittlerweile ziemlich heiße Münzen neben ihm in der prallen Sonne auf der Parkbank.
Er kramte im Nebel seiner verschwommenen Erinnerungen und fand einige vage Bilder von teuren Whiskyflaschen, die auf dem Tresen standen. Hatte er wirklich wieder einmal sein ganzes Geld verprasst? "Das geschieht Dir recht" dachte er bei sich. "Das ist mal wieder typisch ich, ich krieg nie genug". Sein Kopf brummte entsetzlich und bei jeder Bewegung durchfuhr ihn ein Schwindelgefühl. Seine Mutter hatte schon Recht, wenn sie immer sagte "Der Teufel hat den Schnaps gemacht". Wäre er mal besser bei Saft geblieben. Aber er musste ja immer noch mehr nehmen. Daran würde er nochmal kaputt gehen.
Da entdeckte er in der Seitentasche des Rucksacks einen Umschlag. Das Flugticket! Jetzt erinnerte er sich, er hatte für den Rückflug extra die Mittagsmaschine gebucht um noch Zeit für einen halben Tag am Meer zu haben. Dieser Absturz war dabei allerdings nicht eingeplant gewesen. Ein Blick auf die Uhr brachte die Gewissheit: selbst wenn er ein Taxi nehmen würde, käme er um etliche Minuten zu spät, um den Flieger noch zu erwischen. Der nächste Flieger ging erst am späten Abend.
Seine wunderschöne Frau würde toben vor Wut. Sie hatten heute Hochzeitstag und die Gazelle, wie er sie wegen ihrer unglaublich langen, schlanken Beine immer nannte, hatte bestimmt schon ein aufwändiges Abendessen in Vorbereitung. Das wird nicht so einfach sein, die Wogen wieder zu glätten. "Sieh dich im Spiegel an" wird sie wieder zu ihm sagen. Aber eigentlich hatte er es ja vorher gewusst: eine Kneipentour mit den Kollegen war immer inklusive Risiko eines Totalabsturzes. Apropos Absturz, irgendwie war der Rucksack zu leicht. Oder war er schon schizophren? Nein, tatsächlich, sein Laptop war verschwunden! Und erst jetzt bemerkte er, dass auch sein teurer Designeranzug weg war! Er saß hier am hellichten Mittag in Unterwäsche im Park! "Hilfe, Ruf die Polizei!"
Personen und Handlung sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.