Georg Käsch, Kriminalhauptkommissar a.D. auch bekannt als GEO Käsch, drehte seine letzte Runde durch den Park. Um 18.00 Uhr war es Zeit zum Abendessen in der Altersresidenz "Mumienglück", in der er seit einem Monat in einer kleinen Wohnung des Betreuten Wohnens lebte. Es wurde langsam am Abend schon etwas kühler. Er zupfte seinen grauen Lieblings-Trenchcoat, den er noch aus seinen Tagen im aktiven Polizeidienst hatte, etwas enger zusammen....
Ein lauter durchdringender Schrei ließ ihn aufhorchen. Er schien aus dem Park vorm Haus zu kommen. Käsch stakste über die Wiese ums Haus, so schnell es seine alten Knochen zuließen.
Hilde Wernersen beugte sich über einen Männerkörper, der auf dem Rücken im Gras lag. Und als Geo näher kam, erkannte er Horst Brassmann. Horst war tot. Mausetot. Das war im Altersheim nicht so ungewöhnlich.
Ungewöhnlicher aber war, dass Horst Brassmanns Körper in einer Blutlache vorm Haus lag. Und als Geo ihn auf den Bauch drehte, sah er ein Messer in seinem Rücken stecken. "Mord", diagnostizierte Käsch. "Mord durch Gewaltanwendung." "Sie sind wirklich ein ganz Schlauer", staunte Hilde Wernersen. Käsch nickte. Dann stülpte er seine Gummihandschuhe über, die er immer noch in seiner Jacke bei sich trug, zog das Messer aus dem Rücken und ließ es vorsichtig in einer Plastiktüte verschwinden. "Das muss die Gerichtsmedizin untersuchen", ordnete er wie selbstverständlich an.
Hilde Wernersen nickt verwirrt. "Horst Brassmann, nicht wahr?", begann Käsch sein Verhör. "Kannten Sie ihn näher?" Wieder nickte Hilde Wernersen. "Er wohnt auf meinem Flur - oder besser gesagt, wohnte." "Hatte er Feinde?" Hilde Wernersen lächelte. "Es gab niemanden, der ihn leiden konnte", sagte sie dann. "Er zankte sich mit jedem, er hatte bei allen Schulden und er log, dass sich die Balken bogen. Jeder von uns hätte ihn für sein Leben gerne beseitigt. Jeder hat ihm den Tod gewünscht." Sie klopfte Geo Käsch auf die Schulter. "Freuen wir uns einfach, dass jemand den Mut hatte, ihn zu beseitigen." Und dann ging sie davon. Es gab schließlich Abendessen im Heim Mumienglück. Das war wichtiger, als einer Leiche nachzutrauern.
Doch damit wollte sich Käsch nicht zufrieden geben. Schließlich war er Kriminalhauptkommissar, wenn auch a.D. Und so setzte er nach dem Abendessen sein Verhör fort. Zunächst besuchte er Erna Wolfenhut, die direkt neben ihm wohnte. Sie war immer sehr redselig. "Ich hab genau gehört, dass jemand bei ihm war", berichtete sie, als sich Käsch auf den Sessel in ihrem Zimmer gesetzt hatte. "Es war ein Mann. Die beiden haben sich gestritten. Ich glaube, es ging um Geld. Er sagte: Glaub nicht, dass ich dir einfach mein Geld gebe." Und Horst hat nur gelacht und gemeint: `Willst du etwa, dass alle erfahren, dass du und Loisa…´ Und dann hat der andere richtig laut losgeschrien. Naja, und kurze Zeit später sah ich einen Schatten über das Balkongeländer fliegen. Das war Horst - wahrscheinlich jedenfalls." Käsch nickte und notierte sich die Aussage in seinem kleinen grünen Büchlein.
Dann besuchte er Loisa Baumgarten. Sie wohnte auf der anderen Seite des Flures. "Ich habe nichts mitgekriegt", berichtete sie. "Ich war spazieren." "Waren Sie allein?", wollte Käsch wissen. Loisa schüttelte den Kopf. Doch dann nickte sie plötzlich und beugte sie sich dichter zu Käsch hinüber. "Ich war mit Julius im Park", flüsterte sie ihm ins Ohr. "Julius Schlampf?"
"Genau." Loisa Baumgarten lächelte. "Aber das behältst du für dich, ja? Ihr habt doch Schweigepflicht bei der Kriminalpolizei, oder?" Käsch nickte.
Den letzten, den Käsch an diesem Abend besuchte, war Johannes Goldmann. Er war schwerhörig und registrierte Käsch erst, als der direkt vor ihm stand. "Horst Brassmann ist ermordet worden", begann Käsch doch noch bevor er den Satz beendet hatte, brüllte Goldmann schon: "Waaas?" Das hatte keinen Zweck. Käsch griff einen Zettel und notierte in großer Schrift:
"Horst Brassmann ist ermordet worden. Haben Sie irgendetwas…" … gehört wollte er erst schreiben, aber das war ja witzlos. "…gesehen", schrieb er darum. Goldmann schüttelte seinen Kopf, dass das weiße lange Haar nur so flog. "Der alte Brassmann", murmelte er. "Naja, um den ist es ja nicht so schade." "Wo waren Sie gegen 18.00Uhr?", schrieb Käsch erneut.
Goldmann überlegte nicht lange. "Ich habe hier auf meinem Balkon gesessen und in den Park gesehen. Die Hilde kann das bezeugen. Die ging da unten spazieren. Auch Loisa ist da langgegangen. Aber ich weiß nicht genau, ob sie mich gesehen hat. Sie war ganz allein und sah ziemlich traurig aus." Käsch nickte. "Danke", schrieb er dann. "Sie haben mir sehr geholfen."
Dann rief er seinen Kollegen Travis Bugs von der Kripo an und teilte ihm mit das sein Kommen nicht nötig sei. Wie immer war er schneller als er und wußte schon wer der Mörder war.