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zu Eckernföör, anno Domini 2012 |
Ehrenwertes Landvolk,
ich bitte Euch bescheiden, meinen Bericht zu lesen. Möget Ihr zweifeln und alles für unbar halten, aber lasst Euch gesagt sein -
Die folgende Geschichte, so unglaublich sie auch auf Euch wirken mag, hat sich wirklich so zugetragen ...
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Im Jahre des Herren 1754 war ich - Finn Hendrickson - Schiffsjunge an Bord des Linienschoners „Sophie“. Wir befuhren die Route Santander—Dublin zum letzten Mal in jenem Jahr, um anschließend unsere heimatliche Bucht von Eckernförde anzusteuern. Unsere Ladung war gemessen an dem Laderaum der "Sophie" recht üppig. |
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Der zuständige Bootsmannsmaat bewies wirkliches Können, um 54 Seranoschinken, 29 Fässer Rum, 289 Säcke Mehl, 9 Kanonen, 48 Ballen Stoff und 440 Flaschen Portwein unterzubringen. Außerdem, und das wussten nur unser Kapitän Rasmus Rotbart und ich, führten wir eine kleine Kiste mit. Diese war das persönliche Geschenk der spanischen Gräfin Ignatia Dorothea an ihre Cousine Mary von Graswoods. Über den Inhalt war uns nichts bekannt, Rasmus erhielt nur den Auftrag, er solle auf die "Königsmünzen" achten, wie auf seinen letzten Augapfel. Sie wären unaktiviert und für die ersten Drei bestimmt ?!? Rätselhafte Hexe hat Rotbart gemurrt, als er die geheime Ladung in seiner Seekiste deponierte. |
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Im November brachen wir auf. Kurs Dublin, und dannach endlich Richtung Heimat. Die Stimmung an Bord war entsprechend ausgelassen, lediglich der Käptn schaute skeptisch zum Horizont und sagte zu mir:
“Finn, dies ist der Beginn einer unvergesslichen Reise. Bei Neptun, wir werden am Ende nicht mehr zusammensein.“ |
Komischer Kauz dachte ich und erinnerte mich an die geheimnisvolle Tätowierung, die die Schulter des Käptn´s zierte. Dies wäre ein magischer Knoten, hat er mir mal erzählt. Sehr schwer zu knüpfen und noch schwerer zu lösen. Doch in der Not sei er die Brücke, um festes Land zu erreichen.
In Shanghai, wo er die Körperbemalung bekam, nannten die alten Weisen den Knoten „Anjin San“ - übersetzt bedeutete dies „Navigators Rettung“.
Wir waren bereits 12 Tage unterwegs, irgendwo in der irischen See Kurs Oost-Nord-Oost, als der Käptn alle Mann an Deck befahl. Was war - nein - was sollte noch geschehen? Vor uns öffnete sich offenbar das Tor zu einer anderen Welt. Vor unseren Augen löste sich der Horizont buchstäblich auf und die See verschmolz mit dem Himmel zu einem absoluten Schwarz. Es herrschte eine Stille, daß sogar Rotbart blass vor Angst wurde…
...Er blickte sorgenvoll auf uns…
Dieser Moment der absoluten Ruhe wurde urplötzlich von dem blanken Hans zerrissen, dessen Wucht uns völlig unerwartet traf. Als wollte er seiner häßlichen Fratze noch mehr Wahrhaftigkeit schenken, durchzuckten purpurfarbene Blitze das schwarze Nichts. Inmitten des Zwielichtes erblickten wir eine Welle von 30 Metern auf uns zurollen. Das Blut gefror uns in den Adern, nur der Käptn brachte noch die Kraft auf etwas zu sagen; „ ...Schlimmm ... schlimmm…“
Doch dann besann er sich und gröhlte;
„Alle Mann auf Posten!!!... In die Wanten!!!... Hol nieder Groß und Fock!!!... Hart Backbord!!!... Kappt die Shoten!!!...“
Er wollte die Welle abreiten, doch so sehr wir uns mühten, die „Sophie“ wurde zum Spielball der Naturgewalten. Die See wütete und riss wie beiläufig Kapitän Rasmus Rotbart mit sich.
„Mann über Bord…!!!“ ,brüllte jemand von der Nock, doch der alte Seebär verschwand im absoluten Schwarz. Es hatte den Anschein, als ob die See nur IHN forderte, denn in jenem Moment, als Rotbart von Bord gespült wurde, löste sich das Unwetter schlagartig auf. Die „Sophie“ ihrerseits war nicht mehr wiederzuerkennen - die Masten gebrochen, Segel zerfetzt und ein Großteil der Ladung ging verloren. Am Schmerzlichsten war aber der Verlust unseres Kapitäns, wer sollte uns nun sicher nach Hause führen ? |
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I n der Not ist er die Brücke, um festes Land zu erreichen…!; hörte ich des Käptn´s Worte in meinem Kopf. „Das ist es!“, rief ich, kramte in der Seekiste nach Tampen, und versuchte mich so genau wie möglich an diesen Knoten zu erinnern. Der Smarting half mir so gut er konnte. Wir waren der Lösung so nah; |
„...du musst den halben Schlag als Bucht über den Überhandknoten legen... steif holen... dabei die beiden Augen zu der dritten Bucht legen… verknüpfe den Hahnenfuß mit dem blauen Tampen… !“, hörte ich den Smarting sagen, als ein eiskaltes Licht mich ergriff und von Bord trug…
...Irgendetwas muss schiefgegangen sein… |
Im Jahre des Herren 2012 bin ich - Finn Hendrickson - Schiffsjunge des Linienschoners „Sophie“ mit dem Hab und Gut an meinem Leibe und der Schatzkiste der Gräfin Ignatia Dorothea irgendwie in meiner Heimat Eckernförde gestrandet. Mary von Graswoods ist vor Ewigkeiten von uns gegangen, heute erinnert nur noch ein Stadtteil an die Cousine der Gräfin. Den Schatz habe ich vorsichtshalber erst einmal versteckt, bis ich das Geheimnis des Zeitreisens vollends lösen und ihr die Kiste zukommen lassen kann.
Bis dahin hoffe ich sehr, daß sich aus der geneigten Leserschaft meines Berichtes würdige Hüter des Schatzes hervorheben werden. Aber Ihr, ehrenwerter Aspirant, hört meine Warnung :
Seid Euch stets der widernatürlichen Gefahr bewusst, die jederzeit Einfluss auf Euer Handeln zu nehmen sucht! Wenn aber Eure Seebeine stark und gut sind, dann werdet Ihr die Kiste HIER finden:
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Ich versuche derweil den „Anjin San“ erneut zu knüpfen, hoffnungsvoll in das Jahr 1754 zurückkehren zu können. Ich habe alles so angelegt, wie es meine Erinnerungen erlauben… |
„... Bei Neptun, ich sehe das Licht … !“
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