Hier an der Côte d’Azur spürte er plötzlich, dass es nie mehr so sein würde wie im Sommer zuvor.
In jenem August hatte er Penny bei einem Mega-Event der besonderen Art in London kennengelernt. Geocacher aus allen Regionen des Landes waren herbeigeeilt, sogar aus dem Ausland waren sie gekommen. Als sie nahe beieinander standen und bemerkten, dass ihre GPS-Koordinaten bis auf die tausendstel Minute übereinstimmten, versprachen sie sich, stets gemeinsam auf Schatzsuche zu gehen. Er nannte sie fortan nur mein Coin und sie machte aus seiner Konfektionsgrösse und seinem Vornamen ein XXL-Ray. Sie hatte halt einen sehr subtilen Humor. Viel Zeit verbrachten sie während des Events zu dritt gemeinsam mit Gris, der aus Cannes angereist war.
Die 100-Tage-Challenge war die schönste Zeit, die Penny und Ray miteinander hatten. Der Herbst war wunderbar, aber schon im Winter gab es erste Disharmonien. Sie wollte immer vor Webcams posieren und hatte Freude daran, jede gelungene Aktion in die Welt hinaus zu twittern. Er saß mitunter stundenlang am Computer, denn Mystery-Caches waren seine große Leidenschaft. Besonders dieser „Trout Burn“ (http://coord.info/GC2XDZ7) machte ihn nahezu närrisch. Er fand die Finalkoordinaten nicht. Der Owner und die Vorfinder rückten auch nicht mit der Sprache heraus. Dabei lockte immer noch der TTF.
Bevor sie zu Gris nach Cannes geflogen waren, hatte er sich noch ein neues Smartphone gekauft. Gespart hatte er zuvor eigentlich weniger für den Urlaub als für das DataRoaming. „Verdammte Halsabschneider, diese Telekommunikationshaie“, dachte er. Penny war viel mit Gris unterwegs. Er hatte sie regelrecht abgewimmelt unter dem Vorwand, dass er seine große Leidenschaft für das Meeresangeln entdeckt habe und dabei jede Störung die Aussichten auf Erfolg mindern würde.
Als er ging, hatte sie ihn noch fotografiert. Später wollte sie das Bild mit dem Titel „Cacher mit Kescher“ ins Internet stellen. Als er nur knapp mit „Penny-Joke“ antwortete, ahnte er schon, dass das ein Fehler war.
Tatsächlich versuchte er sich immer noch an der Lösung des „Trout Burn“. Für das Smartphone hatte er zusätzliche Batterien gekauft, um nicht unvermittelt aus dem Internet katapultiert zu werden.
In ihm nagte noch der Frust von gestern. Als er seine Angel am Wasser auslegen wollte, kam eine Person, die sich als Reviewer vorstellte, und forderte ihn auf zu verschwinden. Sein "Halt Abstand!" klang ihm noch jetzt in den Ohren.
Vor einer Stunde unterbrach ihn eine SMS von Penny beim Googeln: „Habe einen neuen Schatz gefunden - L’or gris“.
Diesen Mystery hatte er schnell gelöst. Nein, es ging nicht um http://coord.info/GC26TM4 . Es war wie ein Knockout. Aber er würde sich nicht auszählen lassen. Er war dicht daran, die letzten weißen Felder in seiner Statistikmatrix zu tilgen. Das würde er sich nicht nehmen lassen.
Grauer Seenebel zog auf. Als er wieder auf das schöne große Display schaute, sah er, dass eine Mail von geocaching.com eingetroffen war : „[GEO] Notify: pvxter archived Trout Burn (Archived) (Unknown Cache)“. Jetzt wurde es auch in ihm grau, sehr grau, schwarzgrau. Er schickte Penny eine codierte Mail, in der er ihr die Koordinaten der Angel mitteilte. Die Vorgehensweise hatten sie bei einem Praktikum in einer bekannten TK-Company gelernt.
Dann ging er in den grauen Nebel. Sein GPS zeigte ihm die Richtung zu den Klippen an.

Epilog:
Penny kam zur Angel . Dort fand sie chiffriert fünf Zahlen - in aufsteigender Reihenfolge A, B, C, D und E. Kein Problem, sie hatte die passenden Schlüssel im Toolset.
Sie veränderte die Tausendstel Minuten der Angelposition im Norden um
+D-B-2*(C+E)
im Osten um
+A+3*B+C*(E-D) ,
steuerte dieses Ziel an, legte dort ein Kondolenzbuch aus und nahm das Smartphone mit.
(Aus dem Angloamerikanischen übersetzt von horizontx)
Bitte keine Blumen mitbringen. Lasst lieber in memoriam einen Penny da.