26. Dezember - Die 3. Rauhnacht
Frau Holle & der
Kinderzug
Es war einmal eine junge Frau, der starb ihr Kind
ungetauft und so wurde es
nicht auf dem geweihten Friedhof beigesetzt. Und der Schmerz der
Frau
darüber war beinahe so groß wie über den Verlust des
Kindes.
Nun wohnte am Ende des Dorfes eine weise Frau, viele
hielten sie auch für
eine Hexe. Man sprach, dass sie viel mehr wissen würde von dem, was
zwischen
Himmel und Erde vorgeht, als die normalen
Sterblichen.
Nun kam kurz vor Weihnachten, die junge Frau zu der Alten
und klagte ihr Leid.
Die Alte aber sagte: "Du braucht darüber nicht traurig
sein. Ich gebe dir jetzt
einen Rat, und das wird dir zum Trost gelangen. Am Frau Holle
Abend, warte am
Kreuzweg. Das wird dir Trost bringen."
Am Frau Holle Abend ging nun die junge Frau zum Kreuzweg
und wartete dort
unter dem Holunderbaum. Es wurde neun Uhr, es wurde zehn Uhr, und
sie hörte
vom Dorf elf Uhr schlagen. Kaum hatte die Glocke ausgeschlagen, da
hörte die
junge Frau ein Singen. Sie sah einen Zug Kinder und vor ihnen
schritt eine hohe,
schöne Frau.
Wie sie näher kamen, da sah die junge Frau, dass sie
gerade ihr kleines
Töchterchen an der Hand hatte. Und Frau Holle wandte sich zu ihr
und sprach:
"Du musst nicht traurig sein. Siehe, jedes Jahr an meinem Abend
hole ich alle Kinder,
die ungetauft verstorben sind und bringe sie in meinen Garten. Sie
werden es dort
schöner haben, als sie es je auf Erden gehabt
hätten."
Und dann winkten sie ihr noch einmal zu und verschwanden.
Seit diesem Abend war
nun die junge Frau getröstet.