Rückblick: 19. Mai 2001: Der FC Bayern benötigt noch einen Punkt
beim Hamburger SV zum Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Die
letzte Spielminute ist angebrochen, es steht 0:0, was reichen
würde. Dem FC Bayern ist der Titel kaum noch zu nehmen. Doch dann
segelt eine Flanke in den Bayern-Strafraum, Sergej Barbarez köpft
den Ball unhaltbar zur Hamburger Führung ins Netz. Geschlagen, aus
der Traum! Die Spieler des FC Bayern sinken zu Boden, entsetzten
macht sich breit. Fans, Verantwortliche und Spieler, kaum mehr
einer glaubt an den Titelgewinn. Eine lange Saison umsonst, in der
letzten Minute alles verspielt!
„Niemals aufgeben! Immer weitermachen! Immer weiter! Immer
weiter!" Oliver Kahn packt seine Mitspieler bei der Ehre, will den
Titel doch noch mit aller Macht erzwingen, treibt die Mannschaft
nach vorn. 4 Minuten Nachspielzeit sind angezeigt.
Achtmal deutscher Meister – Champions League-Sieger
Oliver Kahn verkörpert den FC Bayern wie kein Zweiter. Immer
gewinnen zu wollen, immer den Anspruch zu haben, die Nummer eins zu
sein, nie aufzugeben - dafür stand der ehemalige Torwart des
Rekordmeisters. Der gebürtige Karlsruher wechselte nach 128
Bundesligaspielen für den Karlsruher SC 1994 nach München. In
seinen folgenden 14 Jahren beim FC Bayern brachte er es auf 8
deutsche Meistertitel. Damit ist er zusammen mit seinem
langjährigen Weggefährten Mehmet Scholl absoluter Rekordhalter
Den DFB-Pokal gewann Kahn sechs Mal, häufiger als jeder andere
Fußballspieler. International konnte Oliver Kahn seiner Vita den
Gewinn der Champions League (2001), des Weltpokals (2001) und des
UEFA-Cups (1996) hinzufügen. Nach 557 Bundesligaeinsätzen beendete
„King Kahn“ seine Karriere 2008 standesgemäß mit dem
Gewinn des Doubles.
Abschiedsspiel gegen DFB-Team
Gebührend verabschiedet wurde der Torhüter dann im September 2008
in einem Abschiedsspiel zwischen dem FC Bayern München und der
deutschen Nationalmannschaft. Eine Ehre, die nur besonders
verdienten Spielern zu Teil wird. „Ich weiß nicht, was ich
sagen soll. Es war das Größte, was ich in meiner Karriere erlebt
habe“, sagte Kahn, als ihm ein Mikrofon gereicht wurde. Beide
Mannschaften hatten ein Spalier für ihn gebildet. Noch einmal
richtete Kahn das Wort an seine Fans: „Danke für die
Unterstützung in all den Jahren, das war heute der Gipfel für
mich.“ Seine letzte Botschaft: „Der FC Bayern wird auch
in dieser Saison und in den nächsten Jahren immer oben
sein.“
„Großen Erfolgen gehen oft große Niederlagen
voraus“, ist eine Erfolgsregel des Erfolgsmenschen Oliver
Kahn. Gleich in seinem ersten Jahr beim FC Bayern zog sich der
Schlussmann einen Kreuzbandriss zu, fiel sechs Monate aus, kam dann
aber stärker als je zuvor zurück. Es sollte seine einzige schwere
Verletzung bleiben. 1999 verlor er mit dem FC Bayern das Champions
League Finale gegen Manchester United durch zwei Gegentore in der
Nachspielzeit.
Held von Mailand
Die tragische Nacht von Barcelona hätte manche Mannschaft
auseinanderfallen lassen. Nicht die Bayern, zu jener Zeit angeführt
von Stefan Effenberg und Oliver Kahn. Sie wollten diesen Titel
unbedingt gewinnen. Was dann schon zwei Jahre später gelingen
sollte. Nach dramatischem Spiel, einem frühen Rückstand und einem
verschossenen Elfmeter kämpften sich die Bayern gegen den FC
Valencia ins Spiel zurück und erreichten die Verlängerung.
Auch das zu jener Zeit noch ausgespielte Golden Goal brachte
keinen Sieger, Ein Elfmeterschießen musste die Entscheidung
bringen. Nicht alle Bayernspieler behielten die Nerven, Paulo
Sergio und Patrick Andersson scheiterten. Somit war es Oliver Kahn
vorbehalten, zum Helden von Mailand zu werden. Der Torhüter
parierte drei Elfmeter der Spanier und wurde zum „man of the
match“ bestimmt. Nach 25 langen Jahren des Wartens konnte der
FC Bayern somit endlich wieder Europas Königsklasse nach München
holen.
Drei mal Welttorhüter
Nicht nur beim FC Bayern, auch in der Nationalelf feierte Kahn
große Erfolge. Das Trikot mit dem Adler trug Kahn 86 Mal auf das
Spielfeld, davon 49 Mal als Kapitän. Ein Titel als Nummer eins
blieb ihm dabei verwehrt. Beim EM-Gewinn 1996 in England war Kahn
die Nummer zwei hinter Andreas Köpke, kam nicht zum Einsatz. Seinen
größten Erfolg im Nationalteam feierte Kahn mit dem Gewinn der
Vizeweltmeisterschaft bei der WM 2002 in Südkorea und Japan.
Kahn war mit seinen Paraden maßgeblich am Finaleinzug der
deutschen Mannschaft beteiligt. Folgerichtig gewann er als erster
und bisher einziger Torhüter den Goldenen Ball als bester Spieler
eines WM-Turniers. Nicht seine einzige Ehrung. 1999, 2001 und 2002
wählte ihn die Fifa zum Welttorhüter, vier Mal war er Europas
Torhüter des Jahres. 2000 und 2001 erhielt er die Ehrung zu
Deutschlands Fußballer des Jahres.
WM 2006 bringt Kahn viele Sympathien im ganzen Land
Die Chance, sich nach dem verlorenen WM-Finale 2002 vier Jahre
später im eigenen Land doch noch den Weltmeistertitel als Nummer
eins zu holen, bekam Oliver Kahn nicht. Die Trainer schenkten
Konkurrent Jens Lehmann das Vertrauen. Manch einer wäre daraufhin
zurückgetreten. Nicht Kahn, er stellte seine persönlichen Belange
hinten an. „Jeder muss auch die Größe besitzen, seine Rolle
akzeptieren und alles tun, was in seiner Macht steht, um zum
Gelingen beizutragen“, so Kahn damals.
Der Torhüter zeigte sich als wahrer Sportsmann, als er seinen
Torhüterkollegen (und ewigen Rivalen) Lehmann vor dem
Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Argentinien moralisch
unterstützte, obwohl sich die Beiden sonst eigentlich aus dem Weg
gingen. Torwart-Trainer Andreas Köpke meinte später dazu:
„Kahn gab keine Tipps, es war mehr ein Anfeuern.“ Die
Geste habe ihn tief beeindruckt, „das war absolut ehrlich,
absolute Größe. Das war für mich die Szene des Turniers.“
'Weiter, immer weiter'
Durch sein Verhalten während der WM gewann der Schlussmann
mindestens so viele Sympathien im ganzen Land wie Anerkennung durch
seine sportlichen Leistungen zuvor. Sein letztes Spiel im
Nationalteam bestritt Kahn im kleinen Finale gegen Portugal (3:1).
„Ich hab alles erlebt, alles gesehen: Weltmeisterschaften,
Europameisterschaften. Ich kann jetzt nach fast 90 Länderspielen
völlig zufrieden und mit mir selbst im Reinen das Thema
Nationalmannschaft abschließen“, verkündete der Bayern-Keeper
ohne Wehmut. Dass die Partie gegen Portugal Kahns einziger Auftritt
bei dieser WM blieb, war da nur noch Nebensache.
„Niemals aufgeben, immer weiter machen. Immer weiter.
Immer weiter“, hat Kahn nach dem Spiel in Hamburg zu seinem
damaligen Trainer Ottmar Hitzfeld gesagt. 94. Minuten waren in
Hamburg inzwischen gespielt. Es gab indirekten Freistoß für den
FCB. Am liebsten hätte ihn Oliver Kahn selbst geschossen. Dann
tritt Patrick Andersson an, Tor für den FC Bayern! Unglaublich!
Riesiger Jubel, der FC Bayern wird doch noch Meister 2001, nicht
nur sprichwörtlich in allerletzter Minute. Jeder Beteiligte bekommt
bis heute eine Gänsehaut, wenn er an diese Szenen zurück denkt.
Vier Tage später gewannen die Bayern die Champions League.