Sehr geehrte Damen und Herren,
wir brauchen Ihre Hilfe. Aber lassen Sie mich trotz der gebotenen
Eile ersteinmal erklären:
wir, die Crypto Services Ltd. sind ein mittelständisches
Unternehmen und darauf spezialisiert, der Wirtschaft Möglichkeiten
zu bieten, ihre sensiblen Daten vor unbefugtem Zugriff zu schützen.
Auch wenn Sie es mir nicht glauben mögen, stammen viele unserer
besten Kryptographen und -analytiker aus Ihren Reihen. Es hat sich
in der Vergangenheit als überaus effektiv erwiesen, offene Stellen
nicht auszuschreiben, sondern neue Mitarbeiter anhand eines als
Mystery getarnten Einstellungstests zu rekrutieren. Leider sehen
wir uns aber durch die Ereignisse der letzen Tage gezwungen, unsere
Anonymität aufzugeben und stattdessen ganz offen um Mithilfe zu
bitten.
Vor circa zehn Tagen wurde mein Kompanion, Hr. M. erstmals von
einem uns bis dahin Unbekannten kontaktiert. Er forderte meinen
Partner auf, eine Chiffre zu brechen. Sollte er nicht wie gewünscht
mitarbeiten, drohe ihm und seiner Frau Unheil. Ich sollte an dieser
Stelle vielleicht erwähnen, dass wir in unserer Branche des Öfteren
mit windigen Personen zu tun haben. Deshalb nahm Hr. M. die Sache
auch zunächst nicht sonderlich ernst und lehnte das Ersuchen ab. In
den nächsten Tagen wurde mein Partner jedoch etliche weitere Male
von diesem Mann kontaktiert, wobei die Drohungen von Mal zu Mal
intensiver wurden. Schließlich fanden sich in der Post meines
Partners Fotos, die den Tagesablauf seiner Frau detalliert
abbildeten. Um dem Treiben des -offensichtlich- Geisteskranken
Einhalt zu gebieten, erklärte Hr. M. sich schließlich bereit, die
Nachricht zu entschlüsseln. Er tat dies weniger aus tatsächlicher
Angst, sondern vielmehr um endlich wieder einem geregelten
Arbeitsablauf nachgehen zu können, wie mein Kollege mir
versicherte.
Ich weiß leider nicht, worin genau der Auftrag bestand. Hr. M.
berichtete mir allerdings bei einem unserer morgentlichen Meetings,
dass er nach einer Analyse der Chiffre zwar sicher in Bezug auf das
verwendete Verschlüsselungsverfahren sei, aber ohne das Passwort
nicht weiterkomme. Laut eigener Aussage habe der Anrufer das
Passwort, weigere sich aber bisher, es an Hr. M.
herauszugeben.
Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen versichere, dass die Geschichte
bisher nicht ungewöhnlich für unsere Branche ist. Dies änderte sich
jedoch in der Nacht zu Samstag. Unsere Sekretärin Liz, die noch
spät mit Hr. M. im Büro war, erhielt einen Anruf von der Polizei.
In dem Telefonat wurde ihr mitgeteilt, dass der Wagen von Frau M.
mit laufendem Motor in einem Waldstück unweit von Dötlingen, dem
Wochenendsitz der Familie M., aufgefunden worden sei. Sämtliche
Wertsachen befänden sich noch in dem Fahrzeug, von Frau M. fehle
jedoch jede Spur. Nachdem Liz Hr. M. die Nachricht übermittelt
hatte, verließ er umgehend das Büro. Seitdem ist auch er
verschwunden.
Heute morgen wurde ich von dem Geisteskranken kontaktiert. In dem
kurzen Gespräch teilte er mir mit, dass er Familie M. in seiner
Gewalt habe. Er ist nur bereit, sie freizulassen, wenn ich ihm die
dechiffrierte Nachricht übermittle.
Und hier kommen Sie ins Spiel: Weder mir, noch meinen Mitarbeitern
ist es bisher gelungen, die Nachricht zu entschlüsseln. Schlimmer
noch, wir sind uns nochnicht einmal sicher, was genau es zu
entschlüsseln gilt. Das einzige, was sich in Bezug auf diesen Fall
am Samstagmorgen im Büro von Hr. M. fand, war ein merkwürdiges
Foto. Ich konnte noch schnell einen Scan davon machen, bevor es von
der Polizei beschlagnahmt wurde. Sie finden es unter dieser
Nachricht. Gerne würde ich Ihnen auch die letzten Aufnahmen von Hr.
M. vor seinem Verschwinden zur Verfügung stellen. Jedoch hat
unserer IT-Security-Supervisor mir dringend davon abgeraten, derart
brisante Materialien für jedermann zugänglich zu machen.
Das Schicksal der Familie M. liegt in Ihren Händen. Ich hoffe
inständig, Sie können uns helfen.
gez. Hr. V.