Natürlich sind die angegebenen Koordinaten nicht die des
Caches. Vielmehr die von dem Ort, an dem wir zu Beginn und Ende
unseres Urlaubs unserem Auto mal so richtig Gas gegeben
haben.
Die 14
Tage im Hinterland der ligurischen Küste klingen immer noch nach:
Wo sind eigentlich die beiden Hähne geblieben, die sich
allmorgendlich viel zu früh morgens einen Hahnenschreiwettstreit
geliefert haben? Beim Blick von unserer Terrasse vermisse ich das
im Dunst gerade noch auszumachende Meer oder nachts die goldene
Linie, die der Vollmond auf die Meeresoberfläche gezaubert
hat.
Unsere
Ferienwohnung lag in einem beschaulichen Dorf im Prinotal, 10 km
vom turbulenten Imperia entfernt. Die Gemeinde Vasia, zu der das
Örtchen zählt, hat laut Internet noch genau 444 Einwohner. Tendenz
weiter sinkend. Trotz der Deutschen, die ihr Herz an eines der
steinalten Häuschen verloren haben und jetzt dort ihr Feriendomizil
oder gar ihren Alterswohnsitz einrichten.
Früher
müssen diese auf uns so romantisch wirkenden Dörfer dichter
besiedelt gewesen sein. Leer stehende Häuser und – noch mehr
– die Unzahl von Kirchen zeugen von einer belebteren
Vergangenheit. Die kleine Gemeinde bringt es immerhin auf 14 seit
dem 12. Jahrhundert gebaute Gotteshäuser, sauber unterschieden in
chiesas = Kirchen, santuarios = Wallfahrtskirchen, oratorios =
Bethäuser und cappellettas = Kapellen. Dazu gab es auch noch eine
Reihe Wegkreuze, Heiligen- und Madonnenfiguren am Wegrand und
natürlich Kreuzwege. Die Spuren einer Kultur, in der (katholisch
geprägter) Glaube und Alltag aufs Engste ineinander verwoben waren,
sind nicht zu übersehen. Kein Wunder, verdankt das Tal, das für
sein Olivenöl berühmt ist, seine Prägung einer klösterlichen
Siedlung, die 1119 nahe der heute noch (beim Friedhof) erhaltenen
romanischen Chiesa S. Martino errichtet wurde. Die Benediktiner der
provenzalischen Mittelmeerinsel Lérins waren es, die der
Bevölkerung nicht nur das Beten, sondern auch die Anlage von
Terrassen und die Anpflanzung von Olivenbäumen beigebracht hatten.
Vielleicht war das damals so etwas wie ein ganzheitlicher
Missionseinsatz, in dem es um Glaube und Leben, um Beten und
Arbeiten, um eine ganzheitliche Verbesserung der Lebensbedingungen
für die Menschen in diesem Tal ging.
Heute
sind die Türen der alten Gotteshäuser – für die Touristen
schade - fast ausnahmslos verschlossen. Nur manche dieser alten
Kirchen werden noch gepflegt und regelmäßig genützt. Deutlicher als
bei uns steht die Kirche sichtbar und sinnbildlich noch mitten im
Dorf. Marien- und Heiligenverehrung scheinen noch allgegenwärtig.
(Was für mich als Protestant befremdlich und fragwürdig ist.). Und
trotzdem scheint mir der Glaube auch dort, mitten im
römisch-katholischen Italien, eher Randerscheinung ,oder, wenn man
die alten Kirchen vor Augen hat, ein Relikt aus vergangenen Tagen
zu sein. Überlagert von teils noch mittelalterlichen Vorstellungen
und einer entsprechenden sakralen Kultur und nicht gerade so, dass
man den Eindruck hat, in der Kirche Kontakt mit dem lebendigen und
immer noch aktuellen Gott bekommen zu können. Schade.
Wehmut
kommt auch auf, wenn ich all die anderen Bilder in mir aufsteigen
lasse. Die Hügel Liguriens mit ihren verstreuten kleinen
Ortschaften und ihren kurvenreichen schmalen Straßen. Die
malerischen mittelalterlichen Dörfer mit ihren labyrinthhaft
ineinander verschachtelten schattigen Gässchen und Torbögen. Die
allgegenwärtigen Steinterrassen mit ihren Millionen von
Olivenbäumen. Die Alten, die scheinbar den ganzen Tag mit dem
Weinglas und der Zigarette auf dem Dorfplatz sitzen. Der in
Deutschland längst verschwundene Tante-Emma-Laden, in dem es
irgendwie alles gibt und trotz Schlange vor dem Verkaufstresen nie
die Gemütlichkeit verloren geht. Der typisch italienische
Urlauberflair an den Riviera-Badeorten – Gelati und Pizza an
jeder Straßenecke. Die Surfbretter und Segelyachten, Kinder auf
Luftmatrazen, sich röstende Grazien mit Sonnenölgeruch, fliegende
Händler mit Ständen auf der palmenbestandenen
Strandpromenade.
Aber
auch die Schlaglöcher, die etwas chaotisch-nervigen
Verkehrsverhältnisse, die fehlenden Erdgastankstellen und die
Stechmücken möchte ich hier nicht unterschlagen. Ach ja, und dann
noch das Allerschlimmste: die Geocacher-Infrastruktur. Erst als wir
schon gebucht hatten, realisierte ich, dass ich meinen Urlaub
– sehr zur Freude meiner cachegeplagten Familie – quasi
im Geocacher-Niemandsland verbringen werde. Auf ganze 4
Traditionals habe ich es gebracht. Und das in einer Gegend, die
sozusagen ein Mekka für cachelegende und -suchende Menschen sein
könnte. Jede Menge Lost Places, Versteckmöglichkeiten und Locations
für historische Rätsel. Aber, wie gesagt, weitgehend
Fehlanzeige!
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Da war
es schon ein bemerkenswerter Höhepunkt unseres Urlaubs und ein
Labsal für die unter Entzug leidende Geocacher-Seele, dass ich auf
einer Passhöhe zwischen Vasia und Lucinasco die neben stehende,
hübsche alte Kapelle „Cappelleta Campestre“, die zwar
aus dem 13. Jahrhundert stammt, aber trotzdem voll auf der Höhe des
GPS-Zeitalters zu sein schien, entdeckt habe.
Doch die
Ernüchterung folgte daheim am PC: Die Angaben auf der Sonnenuhr
stimmen nicht. Jedenfalls sind sie nicht die Koordinaten des Ortes,
wo die Kapelle steht.
Gibt es
vielleicht tolldreiste Geocacher, die Sonnenuhren an Kapellen
montieren und darauf geheime Cacher-Informationen hinterlassen?
Oder benutzen die Italiener ein anderes Koordinatensystem? Beim
nächsten Urlaub muß das überprüft werden.
Bis
dahin müsst ihr Euch mit einem anderen Rätsel begnügen.
Sucht
die Kapelle.
Messt
den Winkel von der Kapelle zur bereits erwähnten Chiesa S. Martino.
Teilt die Zahl durch 50 und rundet sie auf ganze Zahlen. Diese Zahl
sei A.
Messt
den Abstand zwischen der Kapelle und den dort angegebenen
Koordinaten. Der auf ganze km gerundete Abstand sei B.
Stellt
Euch vor ihren Eingang.
Peilt
(440,70 + A) km in Richtung (357,34 + B)°.
Dann
kommt ihr an einen einigermaßen vergleichbaren Ort. Nehmt die
Koordinaten vom Eingang dieses Ortes und rechnet 0.021 Gradminuten
zur Nordkoordinate und 0.061 Gradminuten zur Ostkoordinate hinzu,
dann habt ihr die Koordinaten eines weiteren
Urlaubs-Andenkens.
Viel
Spaß.
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