Der Tod des Generals v. Schleppegrell
Asmus Nissen, geboren in Stolk 1862, berichtet unter der
Überschrift „Jugenderinnerungen aus bewegter Zeit“ von
den Erlebnissen seines Vaters:
„Aus den persönlichen Erinnerungen meiner Eltern während
der Schleswig-Holsteinischen Erhebung 1848-51 - von meinem Vater
öfters erzählt - zuletzt noch einmal kurz vor seinem Tode. Es
handelt sich um Vorkommnisse während der Schlacht bei Idstedt am
25. Juli 1850: Meine Eltern hatten am 17. März 1850 geheiratet, und
mein Vater betrieb eine Bautischlerei zusammen mit zwei anderen
Bauhandwerkern, den Brüdern Seier aus dem Dorfe Bollingstedt,
woselbst sich in der Schlacht von Idstedt der rechte Flügel der
Dänen und der linke Flügel der Schleswig-Holsteiner bzw. der
deutschen Hilfstruppen gegenüberstanden. Der ältere der Brüder
Seier war verheiratet, der jüngere nicht. Letzterer war 1848
freiwillig in die Schleswig-Holsteinische Armee eingetreten, 1849
aber wegen Krankheit beurlaubt, später aber wieder eingetreten,
wenn auch ungern, da er sich mit Todesahnungen quälte. Als nun im
Verlaufe des Gefechtes Munitionsmangel auf deutscher Seite eintrat
und das am rechten Flügel befindliche Jägerkorps zurückgehen mußte
folgten ihnen die Dänen auf dem Fuße durch das Dorf Oberstolk. Der
dänische Führer, General v. Schleppegrell, hielt sich dicht hinter
der Gefechtslinie und wollte am Ausgang des Dorfes über den
Hofplatz eines größeren Bauernhofes reiten, um sich den Weg
abzukürzen. Hinter den Hofgebäuden lag ein Garten - etwas versteckt
ein Backhaus. Den General soll nun sein Adjutant gewarnt haben mit
der Bemerkung: „Herr General, es können hier noch Feinde
sein!“ Der General, dies bezweifelnd, reitet aber hinein.
Kaum sind sie in der Mitte des Platzes angelangt, so fällt ein
Schuß, und der General, nur zu gut getroffen, sinkt vom Pferde.
Dieses rast, den tödlich Verwundeten im Steigbügel mitschleifend,
die Straße nach Idstedt zu. In etwa einem Kilometer Entfernung -
bei dem Ausbau Schwenshöhe - bleibt der tote General liegen. Ein
Stein bezeichnete noch lange die Stelle, wo er aufgefunden wurde.
Jetzt beginnt die Suche nach dem Schützen aus dem Hinterhalt. In
dem erwähnten Backhaus sind zwei junge Frauen und ein Tagelöhner
mit Brotbacken beschäftigt. (Ein Beweis, welche Ruhe die Bewohner
selbst bei dem Hin und Her des Gefechts bewahrt hatten.) Hinter dem
Backofen fanden die herumsuchenden Dänen nur ein Gewehr, welches
die Frauen mit ihren teigigen Händen erfaßt und dort hingestellt
hatten. Dies war nun eine schlimme Sache; denn der Verdacht fiel
auf sie. Die drei Personen in der Backstube erklärten nun, ein
schleswig-holsteinischer Jäger habe den Schuß auf den General
abgegeben, habe sein Gewehr zu ihnen in den Backraum geworfen und
sei dann feldeinwärts in die dichten Knicks hinein geflohen. Ihre
Angaben fanden bei den Dänen wenig Glauben, und sie wurden nach dem
Kriegsgericht in Flensburg abgeführt. Erst nach einem halben Jahr
wurden sie entlassen, nachdem den Dänen die Aussagen der drei Leute
nun doch glaubhaft erschienen. Der Jäger, der den tödlichen Schuß
abgegeben hatte, war der jüngere Seier. Er war beim Vorgehen der
Dänen von seiner Truppe abgeschnitten worden und hatte nun aus
Erbitterung vom Garten des Gehöftes aus auf den General geschossen
und auch den Erfolg wahrgenommen. Nun galt es für ihn, sich durch
die feindliche Linie zu retten. Solange er sich zwischen den
dichten Haselnußknicks bewegte, fand er gute Deckung. Um nach
Bollingstedt zu gelangen, wagte er es, in der Abenddämmerung über
Wiesen und Heideflächen fortzukommen. Dabei stieß er auf eine
dänische Patrouille und erhielt einen Schuß durch das Schulterblatt
in die Brust. Trotz der schweren Verwundung erreichte er aber doch
das Haus seines Bruders und wurde am nächsten Tag von demselben
nach Schleswig ins Hospital gefahren. Seine Braut hat ihn dort
gepflegt, und nach fünf Tagen ist er in ihren Armen verschieden.
Seine Grabstätte befindet sich auf dem Michaeliskirchhof in
Schleswig.“
Zusatz (verkürzt): A) Die beiden erwähnten Brüder Seier waren
Scharfschützen. B) Der ältere Seier diente im Füsilier-Regiment
Königin (Nr. 86) in Flensburg. Er war der beste Schütze im Regiment
und erhielt den Regimentspreis für die beste Schießleistung. C) Der
spätere Besitzer des Stolker Hofes, auf dem General Schleppegrell
fiel, war Asmus Paulsen (geb. in Süderfahrenstedt).
gez. Asmus Nissen geb. zu Stolk 1862
Aufgebarbeitet von A. Reiche aus „Die Heimat“ 1976,
S. 281
Quellenangabe: www.idstedtschlacht.de